Anstoß
Dankbarkeit ist wie ein Notenschlüssel
Der österreichisch-amerikanische Benediktinermönch David Steindl- Rast bezeichnet die Dankbarkeit als Fundament und Ziel - gewissermaßen als den Notenschlüssel - für ein geistliches Leben und für gelingende Spiritualität. Ja, mehr noch: Spiritualität ist für ihn Dankbarkeit und umgekehrt.
Wenn ich darauf vertraue, dass die ganze Welt, alle Wirklichkeit meiner Erfahrung, ich selbst und alles, was mir begegnet, aus der Hand Gottes kommt, dann kann dies in mir eine tiefe Dankbarkeit hervorrufen. Denn nichts ist selbstverständlich: Es ist nicht selbstverständlich, dass ich bin. Es ist nicht selbstverständlich, dass ich so viele Fähigkeiten und Hilfen habe, die mir das Leben ermöglichen. Es ist nicht selbstverständlich, dass überhaupt etwas ist.
Auch Menschen, die in einem konfessionellen Sinn nicht von der Existenz eines Schöpfers überzeugt sind, werden immer wieder von einem Gefühl der Dankbarkeit überwältigt. So erzählte eine Frau, dass sie manchmal, wenn ihr Baby lacht, vor Freude und Dankbarkeit weint. Eine andere hat sich einen Traum erfüllt und um ihre Wohnung einen wunderschönen Garten angelegt, der sie mit Stolz auf die eigene Leistung, aber auch mit Dankbarkeit erfüllt. Manche Menschen empfinden es als belastend, dass sie keinen Adressaten für ihren Dank namhaft machen können. Denn gegenüber einem unpersönlichen Universum kann man schlecht dankbar sein.
Ein spiritueller Übungsweg für die kommenden Wochen der Osterzeit kann darin bestehen, immer mehr in der Dankbarkeit zu wachsen. Das ist zunächst gar nicht so einfach, denn man kann Dankbarkeit nicht machen. Für Kinder (und Erwachsene) ist es schlimm, wenn man dankbar sein soll, es aber nicht kann.
Um Dankbarkeit zu üben, ist es sinnvoll, dass man die Wahrnehmung und das Bewusstsein dafür schärft. Man kann lernen, für die kleinen, scheinbar unscheinbaren Dinge im Alltag dankbar zu sein: für die Natur, für den Frühling, für das Essen, für liebe Menschen, für eine unerwartete Begegnung, für … Man kann darüber nachdenken, dass in einem letzten Sinn alles "gratis" ist, dass ich mir nichts selbst zuzuschreiben habe, dass alles ohne mein Zutun ins Sein gerufen ist. Und als Christ kann man seinen Dank immer wieder vor Gott bringen.
Wer im Glauben darauf vertraut, dass hinter allem Gottes unergründliche Liebe steht, der kann sogar schlimme Dinge und Verluste anders bewerten und wird vor Resignation bewahrt.
So ist die Dankbarkeit tatsächlich wie ein Notenschlüssel, der unserem Leben die richtige "Stimmung" gibt.
Sr. Susanne Schneider,
Missionarinnen Christi,
Kontaktstelle Orientierung Leipzig