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Anbetung als Lebensinhalt

Indische Schwestern im Oscherslebener Kloster St. Josef

Oschersleben. Seit sechzehn Monaten bewohnen Ordensschwestern aus Indien das ehemalige Pfarrheim in Oschersleben. Ihr Lebensinhalt ist es, Jesus in der Eucharistie anzubeten.

Die kleine Anbetungskapelle im Konvent St. Josef ist im vergangenen Sommer eingeweiht worden. Mit großer ehrenamtlicher Unterstützung war das ehemalige Pfarrheim zuvor umgebaut und erweitert worden.

Wenn sie nicht gerade die heilige Messe der Oscherslebener Mariengemeinde mitfeiern oder Mittagspause halten, findet man Schwester Mary Koonthanam und Schwester Vimala Plathottam tagsüber im Gebet versunken in einer kleinen Kapelle mitten auf dem Pfarrgelände. Und wenn Schwester Liya Ozukayil, die Dritte im Bunde, nicht gerade ihrer Teilzeitarbeit im nahegelegenen katholischen Pflegeheim nachgeht, verstärkt auch sie den Kreis der Betenden. Dass die Schwestern aus dem Anbetungskloster St. Josef während ihrer rund achtstündige täglichen Gebetszeit unter sich bleiben, kommt fast nie vor. In der St.-Marien-Gemeinde weiß mittlerweile jeder, dass die kleine Kapelle, die im vergangenen Jahr an das alte Pfarrheim angebaut wurde, nicht verschlossen ist. Die Anbetungszeiten - einmal monatlich auch nachts - sind jeweils an der Haustür des kleinen Konvents angeschlagen.

Auch evangelische Christen beten mit

Manche Beter gesellen sich nur für ein paar Minuten zu den Schwestern, so wie die Mutter, die gemeinsam mit ihrer Tochter die Stille der Kapelle sucht, bevor sie das Kind in die Schule bringt. Hin und wieder kommen komplette Kindergartengruppen oder Schulklassen aus den katholischen Kindereinrichtungen der Stadt herein, um hier zu beten und zu singen. Auch einige evangelische Christen finden immer wieder den Weg hierher. "Wir freuen uns so sehr, dass in Oschersleben nun mehr gebetet wird", hatte eine evangelische Christin gesagt, als sie zur Eröffnung des Klosters eine größere Spende übergab. Auch Bürger, die selbst gar keiner Kirche angehören, haben sich bei den Schwestern bedankt, weil sie für die Stadt beten. Wenn jemand den Inderinnen ein persönliches Anliegen anvertraut, nehmen sie es gern mit in ihr Gebet. Auf der Website des Gemeindeverbunds www.kathleben.de haben sie einen Briefkasten eingerichtet, in dem Besucher ihnen ihre Anliegen übermitteln können.

Auch Pfarrer Christoph Sperling gesellt sich gern zu den betenden Schwestern, zu den in Oschersleben schon lange beheimateten Franziskanerinnen von der ewigen Anbetung ebenso wie zu den Schwestern aus Indien. "Anbetung ist letztlich der Sinn unseres Lebens und sollte das Herz unseres kirchlichen Tuns sein", sagt der Pfarrer. 2005 hatte er in der St.-Marien-Gemeinde angefangen, mit einigen Jugendlichen jeden Donnerstagabend eine Anbetungsstunde zu halten. Bei der jährlich stattfindenden Wallfahrt für geistliche Berufungen von Schwanebeck zur Huysburg hatte er eine der indischen Schwestern von der Anbetung des Allerheiligsten Sakraments kennengelernt und lud sie daraufhin nach Oschersleben ein.

Der indische Priester und spätere Bischof Thomas Kurialcherry hatte die Gemeinschaft 1908 in Südindien gemeinsam mit einer jungen Frau gegründet, nachdem er bei einem Studienaufenthalt in Rom erstmals Anbetungsschwestern erlebt hatte. Heute gehören rund 5000 Schwestern, 138 Novizinnen und mehr als 200 Kandidatinnen zum Orden. Sie leben in 558 Niederlassungen in Indien, Afrika und Europa, von denen 89 - wie in Oschersleben - ausschließlich der ewigen Anbetung gewidmet sind. In den anderen Häusern - unter anderem auch im Ascherslebener Altenhilfezentrum St. Antonius - sind die Schwestern in der Kranken- oder Altenpflege tätig. Schwester Mary hat 20 Jahre lang in einem Krankenhaus in Bad Mergentheim gearbeitet, bevor sie nach Oschersleben kam, Schwester Vimala war zuvor in Tauberbischofsheim und in Aschersleben.

Schwester Vimala und Schwester Mary im Wohnzimmer ihres Konvents neben den Fotos ihrer Ordensgründer. Nicht im Bild ist Schwester Liya, die gerade Urlaub in Indien macht.



"Zum Massenphänomen ist die Anbetung durch die Anwesenheit der Schwestern hier in Oschersleben nicht geworden, das hatten wir aber auch gar nicht erwartet", erzählt Pfarrer Sperling. Er ist froh über ihre Gegenwart. "Gerade in der dunklen Jahreszeit war sichtbar, dass hier immer Licht brannte, dass inmitten von Kirche, Altersheim, Schule, Kindergarten und Vereinshaus Jesus in der Eucharistie angebetet wird."

Umschalten aus dem hektischen Alltag

Es sei auch keinesfalls so, dass nur ältere Menschen sich dieser stillen Gebetsform öffnen, betont Christoph Sperling. "Quer durch alle Generationen gibt es Menschen, die sich damit schwer tun und andere, die leichter einen Zugang finden", hat er beobachtet. Dass es manchmal schwierig sei, umzuschalten, wenn man aus einer hektischen Alltagssituation zur Anbetung komme, kann er gut nachvollziehen. "Ich suche die Stille, da kann ich so gut zur Ruhe kommen", hat ihm aber erst kürzlich wieder eine junge Frau gesagt.

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