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Stille Nächte

Eine besondere Weihnachtskarte

Dieser Tage fiel P. Bernhard Kohl eine besondere Weihnachtskarte in die Hände. Ihr Gestalter hatte das bekannte Lied "Stille Nacht" wörtlich genommen.

P. Bernhard Kohl Gestern habe ich sie weggeräumt, all diese Weihnachtskarten und Neujahrsgrüße. Dabei fiel mir eine in die Hände, die war mir unter all den bunten Weihnachtsbäumen, Krippen- und Engelsbildern gar nicht so aufgefallen: Unter der Überschrift "Stille Nacht" befanden sich nur einige Reihen Notenlinien. Allerdings ohne eine einzige Note und stattdessen mit vielen Pausenzeichen.

Stille Nacht ganz wörtlich genommen. Stille, vielleicht sogar nächtliche Momente, eine Atempause, um diesem Geheimnis von Weihnachten, Gott wird Mensch, auf die Spur zu kommen. - Ich denke zurück an meine Weihnachtstage, wo waren sie, diese stillen Momente, diese Pausen?

Die leeren Notenzeilen lassen aber auch einen weiteren Gedanken zu, der vielleicht für das noch frische neue Jahr ein Anstoß sein kann: Nicht nur zwischen Weihnachten und Neujahr, sondern immer mal wieder im Jahr, mir eine solche "Stille Nacht", eine Auszeit zu nehmen, um auf die eigene Lebensmelodie zu hören. Wo sind momentan die Dur-, wo die Moll-Töne und hatten die leisen Töne genügend Raum? Mit welchem Lied gehe ich momentan durch den Tag?

Die äußere Stille - diese Erfahrung macht schon der Prophet Elija - kann helfen, das so lebensnotwendige Stillsein im Innern zu finden. Davon berichtet in eindrücklichen Bildern die Erzählung des Elija am Gottesberg Horeb: "Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln. Als Elija es hörte, hüllte er sein Gesicht in den Mantel, trat hinaus und stellte sich an den Eingang der Höhle." Martin Buber übersetzt "das sanfte Säuseln" mit "verschwebenden Schweigen".

Im Lärm des wieder eingekehrten Alltags sicher nicht einfach, diese leisen Töne zu hören. Was tun? Wer nicht bis zur nächsten "Stillen Nacht" warten möchte, kann einen Ratschlag der Edith Stein befolgen: "Von Natur aus ist die Seele mannigfach erfüllt: so sehr, dass eines immer das andere verdrängt, und in ständiger Bewegung, oft in Sturm und Aufruhr. Wenn wir morgens erwachen, wollen sich schon die Pflichten und Sorgen des Tages um uns drängen (falls sie nicht schon die Nachtruhe vertrieben haben). ... Da heißt es, die Zügel in die Hand nehmen und sagen: Gemach! Von alledem darf jetzt gar nichts an mich heran. Meine erste Morgenstunde gehört dem Herrn." Und für alle Morgenmuffel hat sie einen weiteren Rat: "Jede muss sich selbst kennen oder kennenlernen, um zu wissen, wo und wie sie Ruhe finden kann. ... Und wenn keinerlei äußere Ruhe zu erreichen ist, wenn man keinen Raum hat, in den man sich zurückziehen kann, wenn unabweisliche Pflichten eine stille Stunde verbieten, dann wenigstens innerlich für einen Augenblick sich gegen alles andere abschließen und zum Herrn flüchten. Er ist ja da und kann uns in einem einzigen Augenblick geben, was wir brauchen." Ich wünsche Ihnen solche "Stille Nacht"- Momente mitten am Tag.

P. Bernhard Kohl OP, Leipzig

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