"Geht raus ins Leben!"
Junge Christen ließen sich auf ihre Rollen bei der Erfurter Passion ein
Erfurt ( jak). Junge Christen in Erfurt machten sich mit Jupp Kokott und Schwester Ulrike Harnisch in der Fastenzeit daran, auf dem Erfurter Domberg die Passion zu spielen. Drei Darsteller berichten über ihre Erfahrungen, die sie mit ihrer Rolle hatten.
"Es war sehr schwer, in die Rolle reinzukommen, ja es hat richtig Überwindung gekostet", berichtet Fabian Genter, der einen der beiden Schergen spielte, die Jesus bis zur Kreuzigung begleiten. Die Rolle sollte agressiv dargestellt werden und dies entsprach so ganz und gar nicht dem Charakter von Fabian Genter. "Doch es wurde von Aufführung zu Aufführung immer besser." Ihm zur Seite stand Nicole Barczyk, die im bürgerlichen Leben als Gärtnerin arbeitet. "Obwohl wir uns am Ende des Stückes in der Auseinandersetzung um den Mantel ganz schön in die Wolle gekriegt haben, so sind wir doch im normalen Leben Freunde", berichtet Nicole Barczyk. Auch sie machte die Erfahrung, dass sie erst in die Rolle hineinwachsen musste. "Für mich war es ganz überraschend: Auf der einen Seite wollte ich es nicht und auf der anderen gehörte es zu meiner Aufgabe, die Gewalt darzustellen, einen Menschen anzupöbeln." In der Vorbereitung versuchte die junge Erfurterin sich hineinzuversetzen, wie es früher war, wenn Menschen vor Gericht gestellt und zur Hinrichtung geführt wurden.
Der gespielten Gewalt im Stück ausgesetzt war der Theologiestudent Nils Hoffmann, der die Rolle des Jesus übernahm. Er berichtet, dass in der Vorbereitung alle Rollen schnell vergeben waren, nur an den Jesus traute sich keiner heran. Nach einiger Zeit der Überlegung sagte Hoffmann schließlich zu. Überzeugend beispielsweise seine Worte vor dem Triangelportal des Domes, die direkte Ansprache an die mitgehenden Zuschauer. Nils Hoffmann: "Ich habe die Worte aus dem Johannesevangelium einfach so vorgetragen, wie es Jesus wohl auch getan hat."
Das Textbuch für die Erfurter Passion haben Schwester Ulrike Harnisch und Jupp Kokott geschrieben. Und als alles fertig war, konnten die Darsteller während der Proben ihre Vorschläge und Ergänzungen einbringen. "In der Szene mit der Gruppe, die sich ihr Jesusbild selbst zurechtbasteln wollte, haben wir den Text noch für die letzte Aufführung geändert", berichtet Nils Hoffmann. Ganz klar die Aussage: "Geht raus ins Leben, statt in geschlossenen Räumen das Besserwissertum zu praktizieren." Diesem Anliegen stellten sich die meisten Szenen der Erfurter Passion, nahmen sie doch die heutige Lebenswirklichkeit auf. So ganz aktuell das Thema Krieg. Nicole Barczyk: "Die Spannung war spürbar. Und es ist schon etwas anderes, wenn man selbst im Geschehen mittendrin ist. Das sind dann Momente, wo sich Spiel und Wirklichkeit mischen." Nils Hoffmann ergänzt: "Die Kriegszene ist deshalb so spannend, weil sie an aktuelle Krisenherde wie den Irak erinnert und die Frage nach dem individuellen Verhalten des einzelnen Soldaten stellt." Ähnlich intensiv sind die Erfahrungen der drei Darsteller mit der Szene, in der Jesus einem jungen Mädchen begegnet, das keinen Platz im Leben findet und sich am Ende ihrer Kraft selbst das Leben nehmen will. Mit Beobachtungen während der Aufführung stellte Fabian Genter beim Blick in die Gesichter fest, dass das Publikum tief betroffen war.
Der Student machte zudem die Erfahrung, dass sich seine Teilnahme an der Passion auch auf sein Ostererleben auswirkte. "Bei den Leidensgeschichten am Palmsonntag und am Karfreitag hörte ich ganz anders hin und ich sagte mir, das hast du doch vor einer Woche noch gespielt."