Gesicht zeigen gegen Rechts
Aktion der Magdeburger Ökumenischen Initiative "Hingucken… denken… einmischen": 60 engagierte Bürger bringen an Hochhaus 408 Porträts von Magdeburgern an
18 Alpin-Kletterer und 40 weitere Helfer beklebten am vergangenen Samstag und Sonntag die Fenster des früheren Hauses der Lehrer in der Fußgängerzone in Magdeburg mit 408 Gesichtern. Die meisten Fotos mussten von außen angebracht werden, da sich viele der Fenster des zwölfstöckigen Gebäudes am Breiten Weg von innen nicht öffnen lassen. Die Bergsteiger vom Alpin-Club Sachsen- Anhalt ließen sich deshalb an Seilen vom Dach des Hauses herab, um die Fotos an den Scheiben zu befestigen. Mit den Porträts an drei Seiten des Gebäudes wurde an den oberen Fensterreihen auch das Motto "Magdeburg zeigt Gesicht gegen Nazis!" angebracht. Außerdem sind die Logos der Sponsoren (darunter das Bistum Magdeburg und eine ganze Reihe katholischer und evangelischer Einrichtungen und Verbände) und das der Initiatoren zu sehen. Das leerstehende Gebäude gehört der Woba Wohnbaubetreuungs- und Vermittlungs GmbH Magdeburg, die es für die Installation kostenlos zur Verfügung stellt.
Mit der Aktion beteiligt sich die Ökumenische Initiative an der Meile für Demokratie, die sich am 17. Januar den Breiten Weg zwischen Universitätsplatz und Hasselbachplatz entlang ziehen soll. Am Tag zuvor jährt sich die Bombardierung Magdeburgs am Ende des Zweiten Weltkrieges zum 64. Mal. Seit mehreren Jahren versuchen neonazistische Gruppierungen das Gedenken der Magdeburger für ihre Ziele zu vereinnahmen. Offensichtlich ist dies auch diesmal geplant. Dagegen setzen das Bündnis gegen Rechts und die Landeshauptstadt Magdeburg mit vielen Bürgern die Meile für Demokratie.
Für die Installation am Haus der Lehrer, die am Abend des 17. Januar angestrahlt und über den Tag hinaus für Wochen Bestand haben soll, hatten sich im Vorfeld zahlreiche Vertreter des öffentlichen Lebens und viele weitere Magdeburger bei verschiedenen Gelegenheiten fotografieren lassen. Unter ihnen sind auch der Magdeburger Bischof Gerhard Feige und sein Generalvikar Raimund Sternal, der Magdeburger evangelische Bischof Axel Noack und Oberbürgermeister Lutz Trümper (Tag des Herrn berichtete). Zuletzt hatten Fotoshootings im Foyer der Universitätsbibliothek und im Rathaus-Foyer am Alten Markt stattgefunden. Die Bürger waren auch auf dem Weihnachtsmarkt eingeladen worden, sich zu beteiligen. Die Aktion wird von zahlreichen Institutionen, den Kirchen, Firmen, Verbänden, Vereinen und Parteien gesponsert, die vor allem den Druck der Porträts finanzieren. Unter den Ehrenamtlichen, die jetzt an der Anbringung der Fotos beteiligt waren, waren auch 15 Schüler des Ökumenischen Domgymnasiums und sechs ihrer Eltern sowie Studenten.
"Bislang gibt es im öffentlichen Raum wenig bürgerliches Engagement gegen Rechtsextremismus", sagt Maria Faber von der Ökumenischen Initiative "Hingucken ... denken ... einmischen". "Der Rechtsextremismus wird von vielen nicht so wahrgenommen, als dass sich die ,normale Bevölkerung‘ damit auseinandersetzen und dazu positionieren müsste. Zudem scheint die Hemmschwelle hoch und wohl auch die Angst recht groß, öffentlich etwa bei Demonstrationen Gesicht zu zeigen. Ziel unserer Aktion ist es, möglichst Menschen aus unterschiedlichsten Lebensbereichen für das Thema zu sensibilisieren", so Frau Faber, die Referentin im Fachbereich Pastoral in Kirche und Gesellschaft des Bistums Magdeburg ist. "Die Gesichter in den Fenstern sollen für jeden sichtbar für eine weltoffene und menschenfreundliche Stadt Magdeburg werben. Die Installation soll auch diejenigen ermutigen, Gesicht zu zeigen, die sich bisher wenig mit dem Rechtsextremismus beschäftigt haben. Allein schon durch die Beteiligten an unserer Aktion werden Menschen unterschiedlichster Bereiche der Gesellschaft erreicht."
Die Ökumenische Initiative "hingucken… denken… einmischen" gründete sich im Sommer 2007 als Reaktion auf die Eröffnung des Ladens "Narvik" in der Grünen Zitadelle von Magdeburg, der jetzt am 9. Januar zwangsschließen musste. Sie setzt sich aktiv für eine offene Gesellschaft und gegen Rechtsextremismus ein. Für ihr Engagement wurde die Initiative vom Bündnis für Demokratie und Toleranz der Bundesregierung im März 2008 ausgezeichnet.
Hinweis
Mehr Infos: Ökumenische Initiative "hingucken... denken... einmischen" c/o Bistum Magdeburg M.-J.-Metzger-Str. 1 39104 Magdeburg Tel: 03 91 / 5 96 11 81 E-Mail: info@hingucken-denkeneinmischen.de
Von Eckhard Pohl