Ein Tag im Gefängnis
Geistliche des Dekanates Görlitz-Wittichenau besuchen das Görlitzer Gefängnis
Mittwochfrüh am Postplatz. Durch den Schnee stapfen dunkel gekleidete Herren Richtung Landgericht. Links davon biegen sie in Hofeinfahrt. Ein Tor, gesichert wie die Einfahrt des Bundeskanzleramtes in Berlin, steht hier mitten in der Görlitzer Innenstadt. Dahinter befindet sich ein historisches Gebäude: Das Gefängnis. Seit 1863 dient es ununterbrochen der Unterbringung von Gefangenen.
Die dunkel gekleideten Herren sind Geistliche des Dekanates Görlitz- Wittichenau. Zwölf Priester und Diakon Bernhard Matko aus Hoyerswerda besuchen die Strafanstalt mit der wechselvollen Geschichte. Krystian Burczek, Pfarrer von Reichenbach und katholischer Seelsorger im Gefängnis hat den Besuch organisiert. An der Pforte müssen die Mobiltelefone abgegeben werden. Durchsucht werden die Geistlichen nicht. Die Gefängnisleitung traut den Priestern.
Frank Hiekel, Leiter der Justizvollzugsanstalt (JVA), und Frank Hecker, der Leiter der Vollzugsabteilung, berichten über Geschichte und Gegenwart des Gefängnisses.
"Neben dem Königlich-Preußischen Landgericht wurde schon 1856 mit dem Bau eines Gefängnisses begonnen", berichtet Hecker. Am gleichen Ort hatte lange Zeit das Frauenhospital gestanden. Im Jahr 1909 erreicht der Bau seine heutige äußere Gestalt. Auch eine richtige "Gefängniskirche" hatte der rote Backsteinbau einmal. Heute wird der Saal als Mehrzweckraum genutzt. Die Gottesdienste, die der katholische Gefängnisseelsorger Krystian Burczek im Gefängnis hält, finden aber immer noch hier statt. Nur das bunte Glas in den Fensterbögen erinnert daran, dass der Raum einmal ausschließlich als Kapelle genutzt wurde.
Die Vorgänger der heutigen Gefängnisseelsorger hatten auch zum Tode Verurteilte auf ihre Hinrichtung vorzubereiten. Das letzte Mal wurde die Todesstrafe 1911 hier vollstreckt.
Heute können hier 216 Gefangene untergebracht werden. Zwei Drittel der Gefangenen verbüßen eine Haftstrafe. Das andere Drittel sitzt in Untersuchungshaft, weil gegen sie ermittelt wird und Gründe wie Verschleierungs- oder Fluchtgefahr vorliegen.
Dass die Gefängnisseelsorger gut beschäftigt sind, liegt auch daran, dass rund die Hälfte der Insassen Ausländer sind, darunter auch katholische Polen.
"Das ist hier ein richtiges Multi- Kulti-Viertel mitten in der Görlitzer Innenstadt", berichtet schmunzelnd Frank Hiekel. Gefangene aus 20 bis 24 verschiedenen Nationen habe man durchschnittlich im Haus. Vier Kontinente sind dabei schon vertreten gewesen. Nur Australier haben noch nie hier eingesessen.
Für die Mitarbeiter ist das babylonische Sprachwirrwarr eine Herausforderung. Mindestens eine Fremdsprache spricht jeder der Justizvollzugsbeamten. Der Sozialarbeiter der sich um die Gefangenen und ihre Probleme kümmert, ist Pole. Viele fassen einfacher zu ihm Vertrauen, wenn sie in ihrer Muttersprache sprechen können. Das beobachtet auch Krystian Burczek. Der Reichenbacher Pfarrer ist gebürtiger Oberschlesier und spricht fließend die Sprache des Nachbarlandes. Der Anstaltspsychologe stammt aus Tschechien und spricht mehrere slawische Sprachen.
Vollzugschef Hecker freut sich, dass nach 15 Jahren Bauarbeiten das Gefängnis fast komplett renoviert und umgebaut ist. Tatsächlich könnte man die eine oder andere Zelle für ein sehr einfaches Zimmer einer Jugendherberge halten - wenn da nicht die dicken Türen und die Gitter vor den Fenstern wären. Auch eine behindertengerechte Zelle gibt es im Görlitzer Gefängnis.
In die Freude der Anstaltleitung mischt sich jedoch auch Sorge. "Wir haben nicht genügend Arbeitsplätze für die Gefangenen", erklärt Anstaltsleiter Hiekel. Ein Teil der Gefangenen arbeitet in der Küche, ein anderer Teil putzt. Ein einziger Gefangener ist für die Gefängnisbibliothek zuständig. Arbeit für echte Firmen von außerhalb wie in anderen Strafanstalten gibt es hier nicht. Wer keine Beschäftigung hat, hat Langeweile und verdient kein Geld. Und Geld wird auch im Gefängnis gebraucht: Einmal in der Woche öffnet der kleine Laden.