Retten, was zu retten ist
Vor 20 Jahren gründete sich der Förderkreis Alte Kirchen zum Erhalt evangelischer Dorfkirchen
Schwamm im Gebälk, marode Dächer, feuchte Mauern, kaputte Fensterscheiben: Viele der rund 1 600 Brandenburger Dorfkirchen waren zum Ende der DDR in einem bedenklichen Zustand.
Am 3. Mai 1990 gründeten in der Ost-Berliner Otto-Nuschke- Straße etwa 30 Frauen und Männer den Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg. Erklärtes Ziel war es, sich für den Erhalt der Brandenburger Dorfkirchen einzusetzen und zu retten, was noch zu retten ist. Heute gibt es in Brandenburg 260 Kirchbauvereine, viele von ihnen werden durch den Förderkreis unterstützt. Am vergangenen Sonnabend feierte er in der Potsdamer Friedenskirche sein 20-jähriges Bestehen.
Wir haben großen Grund, stolz zu sein
Dazwischen liegen ungezählte ehrenamtliche Arbeitsstunden der mittlerweile etwa 500 Mitglieder, knapp 700 000 Euro vergebene Fördermittel für 155 Sanierungsprojekte und 125 000 Euro Startkapital für 55 Vereinsneugründungen. "Wir haben großen Grund, stolz zu sein", bilanziert Förderkreis-Geschäftsführer Bernd Janowski. "Seitdem ist wahnsinnig viel passiert."
Pate bei der Gründung stand der Förderkreis Alte Kirchen im hessischen Marburg. Der hatte sich 1974 gebildet, um dem Abriss alter Fachwerkkirchen zugunsten moderner Gemeindezentren entgegenzuwirken. "In Hessen ging es um zu viel, bei uns um zu wenig Geld", sagt Janowski.
Nicht nur der chronische Geldmangel machte den Anfang in Brandenburg schwer. "Wir waren eine bunte Mischung aus Ost und West vom hauptberuflichen Denkmalpfleger bis zum Idealisten mit zum Teil sehr unterschiedlichen Vorstellungen", erinnert sich der Förderkreis-Vorsitzende Uwe Otzen. Da habe es zunächst durchaus Animositäten gegeben. Dazu kam laut Otzen "zwar ein großes Selbstbewusstsein aber auch viel Ahnungslosigkeit". Das Vorhaben, in kürzester Zeit von allen 1 600 Kirchen eine Schadenserfassung zu erstellen, stellte sich sehr bald als nicht umsetzbar heraus.
Auch die evangelische Landeskirche zeigte anfangs "skeptische Zurückhaltung", sagt Otzen. Die kirchlichen Bauämter fürchteten Konkurrenz und Einmischung in ureigene Angelegenheiten. Aber das gehört der Vergangenheit an. "Heute sind wir für Kirchen und Kommunen ein eigenständiger Faktor in der brandenburgischen Denkmalpflege."
Bereits zwei Mal sammelte die Landeskirche zum Tag des Offenen Denkmals die Sonntagskollekte für die Arbeit des Förderkreises. Neben Spendeneinnahmen und Verkaufserlösen aus Broschüren ist die Kollekte mittlerweile einer der großen jährlichen Haushaltsposten des Vereins. Neben dem denkmalpflegerisch-baulichen Aspekt will der Förderkreis auch wieder Leben in die Dörfer und ihre Kirchen zurückbringen. Kulturelles, gesellschaftliches, aber auch geistliches.
Neues Leben in der alten Kirche
So wie im nordbrandenburgischen Wulkow. Der ovale Fachwerkbau aus dem 17. Jahrhundert war in dem 65-Seelen-Dorf im Landkreis Ostprignitz-Ruppin lange Zeit dem Verfall preisgegeben, Gottesdienste fanden schon seit Jahrzehnten nicht mehr statt. Das Dorf selbst litt in den 90er Jahren unter starker Abwanderung, ein öffentliches dörfliches Leben gab es praktisch nicht mehr.
Das begann sich mit dem Zuzug einiger junger Leute zur Jahrtausendwende langsam zu ändern. Im Jahr 2003 ging die Kirche in den Besitz der politischen Gemeinde über, die Landeskirche hatte für das Gebäude keine Verwendung mehr. Im selben Jahr begann aus Mitteln des Dorferneuerungsfonds die Sanierung des schlichten Bauwerks.
Parallel gründeten Einheimische und ein paar Wochenend- Wulkower aus Berlin den Kunstund Kulturverein Wulkow, der 2005 vom Förderkreis ein Startkapital erhielt. "Für die 2 500 Euro haben wir einen Ofen für die Kirche angeschafft", berichtet der Vereinsvorsitzende Marco Geitz.
Seitdem ist die Kirche wieder kulturell-gesellschaftlicher Mittelpunkt des Dorfes. Immer zu Pfingsten lädt eine Gruppe Berliner Symphoniker zum traditionellen Benefizkonzert, zwischendurch gibt es Chorkonzerte, Diavorträge, Märchenstunden, Osterfeuer und Erntedankfeste. "Wichtig und identitätsstiftend für die Dörfer", nennt so etwas Förderkreis-Geschäftsführer Janowski.
Nur die Amtskirche tat sich anfangs schwer mit dem neuen Leben in der alten Kirche. Bitten der Wulkower, wieder mal einen Gottesdienst in dem Fachwerkbau abzuhalten, wurden mit Hinweis abgelehnt, Gottesdienste gebe es in der Nachbargemeinde. Aber auch da trat mit der Zeit ein Sinneswandel ein. Mittlerweile kommt sogar der Superintendent ausgesprochen gern zu den opulenten Erntedankfesten.
Von Markus Geiler