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Auferstehung im Tod

Dogmatikerin Radlbeck-Ossmann sprach bei Ringvorlesung "Tod - Ritual - Leben" an der Uni Halle

Halle. "Der Tod als Übergang zum ewigen Leben" war der vorletzte Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung "Tod - Ritual - Leben. Verdrängung des Todes oder ars moriendi?" an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg überschrieben. Unter den rund 230 Hörern war auch der Magdeburger Bischof Gerhard Feige.

Die Zeit der irdischen Welt (im Modell als horizontaler Pfeil) ist umfangen von der Ewigkeit (Kreis). Egal, wann ein Mensch stirbt, stirbt er in die Ewigkeit hinein. Alle erleben so gleichzeitig die Auferstehung am Jüngsten Tag.

Umfragen zufolge glaubt auch unter Christen ein erheblicher Teil nicht an die Auferstehung und ein Leben bei Gott. Eine wesentliche Ursache dafür sieht die Hallenser Theologin Regina Radlbeck- Ossmann in noch immer weit verbreiteten, alten Vorstellungen von Auferstehung und Leben nach dem Tod. Darauf wies die Lehrstuhlinhaberin für Systematische Theologie / Dogmatik am Institut für Katholische Theologie und ihre Didaktik bei einem Vortrag in Halle hin. Frau Radlbeck- Ossmann sprach im Rahmen der Ringvorlesung "Tod - Ritual - Leben. Verdrängung des Todes oder ars moriendi?" zum Thema "Der Tod als Übergang zum ewigen Leben".

Zunächst erinnerte die geschäftsführende Direktorin des an der Universität angesiedelten katholischen Instituts zur Religionslehrerausbildung mit Beispielen aus dem alten Ägypten an die bereits sehr lange Tradition, mit einem Leben nach dem Tod zu rechnen. "Die Hoffnung auf ein Leben über den Tod hinaus ist so verbreitet, dass sie zum Wesen des Menschen zu gehören scheint", so Radlbeck-Ossmann. "Der Mensch wehrt sich gegen den Gedanken, mit dem Tod falle er ins Nichts."

Modelle als Hilfe, von Auferstehung zu sprechen


Von frühester Zeit an habe sich die christliche Theologie vorgefundener Modelle bedient, um verständliche Aussagen über das Leben nach dem Tod machen zu können. "Denn ewiges Leben ist ein Gegenstand der Hoffnung, nicht der Beobachtung", die man beschreiben könnte, so die Hochschullehrerin, die die Ringvorlesung inhaltlich konzipiert hat. "Wir beschäftigen uns hier mit einem der spekulativsten Themen der Theologie." Die Verwendung von Modellen für theologische Aussagen habe einen wichtigen Vorteil: Unplausibel gewordene Modelle können durch einsichtigere abgelöst werden. So sei bereits in frühester christlicher Zeit die Rede von der "Auferstehung" als Modell aus der jüdischen Umwelt aufgenommen worden, um auszudrücken, was die Jünger Jesu nach seinem Tod mit ihm erlebt haben. Jesus selbst benutzt in der Bibel nur ganz selten das Wort "Auferstehung", sondern spricht vor allem von der "Fülle des Lebens" (Johannes-Evangelium). Er lässt diese Fülle spürbar werden, wenn er Menschen heilt und ihnen so belastende Einschränkungen nimmt. Jesus macht deutlich: Jeder Mensch ist bei Gott unbedingt erwünscht, jedem steht ein Leben bei Gott offen, so die Theologin. "Nach der Verkündigung Jesu setzt das Leben bei Gott jedoch Glauben voraus und die Vollendung des irdischen Lebens." Bei der Heilshoffnung, wie Jesus sie verkündet, bleiben "die Verletzungen, die jeder in seinem Leben sammelt, einbezogen, sie werden im ewigen Leben geheilt. Was einer getan und gelitten hat, ist nicht vergessen."

Im Gegensatz zu Jesus sprechen die Autoren der neutestamentlichen Schriften häufiger von der "Auferstehung der Toten", so Radlbeck- Ossmann. Sie sind offenbar davon überzeugt, dass sich das Gemeinte mit dem aus der jüdischen Apokalyptik übernommenen Modell "Auferstehung der Toten" am besten ausdrücken lässt. Nach diesem Modell sterben die Menschen und schlafen bestimmte Zeit einen Todesschlaf, bis sie am jüngsten Tag durch Gott auferweckt werden. Diese Vorstellung sei zunächst einsichtig gewesen, zumal man in der frühen Kirche von einem baldigen Wiederkommen Christi ausging. Doch das Ende der Welt verzögerte sich. Die Leichname der Begrabenen verfielen. Und ein langes Warten auf die Auferstehung hatte wenig Tröstliches. "Dies hatte Konsequenzen für die Rede von Tod und Auferstehung", erläutert die Dogmatikerin.

Man musste beantworten, wie etwa bei einem restlosen Verfall des Leichnams noch die Identität des Auferstehungsleibes mit dem irdischen Leib gewährleistet werden könne. Dazu griff die Theologie auf die hellenistische Vorstellung eines sterblichen Leibes und einer unsterblichen Seele zurück. Damit konnte man zwischen einem vergänglichen und einem unvergänglichen Teil des Menschen unterscheiden. Das aus der jüdischen Apokalyptik übernommene Modell der Auferstehung ließ sich so verfeinern: Im Tod steigt die Seele in einen (zeitlichen) Wartezustand auf, während der Leib in der Erde verfällt. Am Jüngsten Tag wird die Seele wieder mit ihrem Leib vereint, der dann allerdings ein verklärter Leib sein wird. "Die-se Vorstellung ist bis in die Gegenwart sehr verbreitet", sagt Professorin Radlbeck-Ossmann. Doch sie sei für den heutigen Menschen zunehmend schwerer zu verstehen, vor allem, weil die aus dem Griechentum stammende Trennung zwischen Leib und Seele nicht mehr einleuchtet. In der Bibel ist diese Unterscheidung nicht zu finden. Ihr ist auch der Dualismus fremd, der sich im Gefolge des Leib-Seele-Modells oft in christliche Aussagen eingeschlichen hat. Radlbeck-Ossmann: "Ich halte dieses alte, verbreitete, aber nicht mehr einsichtige Modell für mitverantwortlich dafür, dass die Heilshoffnung auf ewiges Leben selbst von einem erheblichen Teil der Christen (vielleicht 30 Prozent) nicht mehr geteilt wird."

Beurteilung des eigenen Lebens im Angesicht Gottes


"Wer irdisches Leben hochschätzt, muss auch die irdische Zeit aufbewahren." Dieser Erkenntnis folgend, so die Wissenschaftlerin, hätten Theologen auf der Basis von Romano Guardini und Karl Rahner noch in den 1980er Jahren das Modell einer "Auferstehung im Tod" entwickelt. Danach fallen individueller Tod und Auferstehung zusammen. Da irdische Zeit als umfangen in der Ewigkeit gedacht wird (die irdische Zeit in der Ewigkeit begonnen hat und auch aufhört, siehe Zeitstrahl in nebenstehender Zeichnung), stirbt jeder Mensch in die Ewigkeit hinein. Die Ewigkeit ist aller irdischen Zeit gleichzeitig gegenwärtig. Alle Menschen, egal wann sie gestorben sind oder sterben, gelangen dadurch gleichzeitig in die Ewigkeit. Dieses Modell der Auferstehung im Tod, so Radlbeck- Ossmann, entspricht auch der Bibel, wenn man etwa an Jesu Aussage zum Schächer am Kreuz denkt: Noch heute wirst du mit mir im Paradies sein. Die christliche Tradition greift diese Hoffnung auf, wenn sie davon spricht, dass Märtyrer nach ihrem Tod sofort bei Gott sind. Hinzu komme: Beim Modell der Auferstehung im Tod kann die Dialektik von Leib und Seele mit ihrer Gefahr des Dualismus aufgegeben werden, was der Verständlichkeit der Verkündigung entgegenkommt.

Nach Jesu und dem christlichen Selbstverständnis ist jedem Menschen Gottes Heil angeboten. Alles, was ein Mensch in seinem Leben getan und was er an Verletzungen erlitten hat, ist von bleibender Bedeutung. Das Modell einer Auferstehung im Tod, so Professorin Radlbeck-Ossman, geht davon aus: Der Mensch wird in der Ewigkeit bei Gott sein gesamtes Leben vor sich haben und vollständig erkennen, was gut und was nicht gut war, zu welchem Tun er wie stark gedrängt wurde und wie weit er selbst verantwortlich war. Und er wird in der Gegenwart Gottes (Gericht) die Möglichkeit haben, vertane Chancen und verpasste Möglichkeiten zutiefst zu bereuen und Verletzungen, die er anderen zugefügt oder selbst erlitten hat, aufzuarbeiten. Hier sei auch der Gedanke des Fegefeuers - nicht als Ort, wohl aber als zu durchlebende Existenzform - hilfreich. In seiner Selbsterkenntnis werde der Mensch die Bereitschaft brauchen, sich heilen zu lassen.

Auf Nachfrage nahm Frau Radlbeck- Ossmann auch zur Bedeutung des Glaubens für die Erlangung des ewigen Lebens Stellung, wie es etwa im 1. Timotheusbrief betont wird. "Eine wichtige Hürde wird für jeden Menschen wohl sein: Lasse ich mich von der Güte Gottes zur Reue und Versöhnung führen? Tut dies jemand, der im Leben nicht geglaubt hat, wird er von Gott angenommen werden." Die Spannung, dass einerseits der Glaube heilsentscheidend ist und andererseits alle Menschen gerettet werden sollen, sei besonders für den schwer auszuhalten, der sein Christsein als eine "zu erbringende Leistung" versteht. "Wer hingegen den Glauben als etwas lebensstärkendes begreift, das er von Gott geschenkt bekommen hat, wird mit dieser Differenz gut umgehen können", so Radlbeck- Ossmann. Gott werde aber auch wissen, wer im irdischen Leben bewusst sein Angebot abgelehnt und nach dem Motto gelebt hat, der liebe Gott schenkt mir sowieso das ewige Leben."

Im Blick auf Menschen, die in ihrem Leben offensichtlich riesige Schuld angehäuft haben, sagte die Theologin: "Die Vorstellung, in der vollendeten Welt mit Hitler, Pinochet und Stalin an einem Tisch zu sitzen, ist eine Herausforderung. Andererseits können wir aber auch nicht sicher sagen: Diese sind nicht im Himmel. Allgemein stelle ich fest: Je mehr man über einen Menschen, auch über problematische Personen der Geschichte weiß, um so schwieriger wird es, die Größe der angehäuften Schuld zu beurteilen. Hier geraten wir an die Grenzen unseres Vorstellungsvermögens."

Von Eckhard Pohl

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