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"Das Ding muss weg!"

Für Kirchengebäude gab es in den sozialistischen DDR-Städten keinen Platz

Zwar lassen sich im Umgang des DDR-Regimes mit historischen Kirchengebäuden verschiedene Phasen unterscheiden, ihnen allen ist aber gemeinsam: In der sozialistischen Stadt war kein Platz für sie.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges waren auf dem Gebiet der späteren DDR ein Drittel der evangelischen und ein Sechstel der katholischen Kirchen zerstört oder beschädigt. "Nur einzelne Kirchen wurden als Gottesdiensträume wieder aufgebaut. Andere blieben als Ruinen stehen, wurden abgerissen oder nach ihrem Wiederaufbau nicht mehr als Kirche genutzt", sagt Henriette von Preuschen (Cottbus), die sich wissenschaftlich mit dem Umgang des DDR-Regimes mit Kirchengebäuden beschäftigt hat. So wie die Kirchen im SED-Staat ideologisch ein Fremdkörper waren, waren es die Kirchengebäude in den sozialistischen DDR-Städten.

Das galt allerdings noch nicht in der unmittelbaren Nachkriegszeit. "Zwischen Kriegsende und Gründung der DDR 1949 gab es teilweise ein Machtvakuum, das eine gewisse Gestaltungsfreiheit mit sich brachte", sagt Henriette von Preuschen. Außerdem betrieb die Sowjetische Militäradministration (SMAD) eine "eher tolerante Kirchenpolitik", weil man die Kirchen zunächst noch als Bündnispartner brauchte. So blieb auch das Eigentum der Kirchen unangetastet.

In diese Zeit fällt oft der Wiederaufbau der bedeutendsten Kirchen, um zügig wieder Räume für Gottesdienste zu schaffen. In Magdeburg wurden der evangelische Dom und die katholische St.-Sebastians- Kirche wieder aufgebaut. Die wichtigsten Wiederaufbauten in den DDR-Bezirksstädten wurden bis Ende der 1950er Jahre abgeschlossen.

Parallel beginnt bereits nach der Gründung der DDR eine Phase umfangreicher Kirchenabbrüche, die etwa bis ins Jahr des Mauerbaus 1961 dauert. Die Abbrüche standen im Zusammenhang mit den Zielen sozialistischen Städtebaus. 1950 trat das Gesetz zum Aufbau der Städte in der DDR in Kraft. Henriette von Preuschen: "Große Magistralen und ein zentraler Platz sollten das Bild der DDR-Städte prägen. Kirchen, die häufig an zentralen Stellen standen, waren im Weg." Statt von Kirchtürmen sollten die Silhouetten der Städte von gewaltigen sozialistischen Bauten dominiert werden. So war beispielsweise in Magdeburg der Bau eines 120 Meter hohen Hauses des Volkes geplant. Diese Städtebaupolitik ging mit einer allgemeinen aggressiven Kirchenpolitik einher. Hinzu kommt, dass sich in dieser Zeit die gesellschaftliche Stellung der Kirchen vor allem durch den Mitgliederschwund abschwächte.

In der dritten Phase - zwischen 1961 und 1971 - erreicht die ideologische Konfrontation zwischen dem SED-Regime und den Kirchen ihren Höhepunkt. "Das ist auch die Zeit einer besonders rigiden sozialistischen Städtebaupolitik", sagt Henriette von Preuschen. Die kirchenfeindliche Politik wird begleitet vom radikalen Umgang mit Kirchenbauten. In diese Zeit fällt die Sprengung bedeutender Kirchen, allerdings oft von erheblichen Bürgerprotesten begleitet. Die im Krieg kaum zerstörte Leipziger Universitätskirche ist ein Beispiel dafür. Der damalige SEDChef Walter Ulbricht selbst soll deren Sprengung mit den Worte veranlasst haben: "Das Ding muss weg!" Die Gestaltung der sozialistischen Großstädte lag Ulbricht persönlich am Herzen. Zahlreiche Fotos zeigen ihn bei Gesprächen an Stadtmodellen. Immer wieder stehen einzelne Kirchen auch den neu entstehenden Plattenbaugebieten im Wege, in denen oft keine Kirche vorgesehen ist.

Die letzten zwei Jahrzehnte der DDR (1971-89) sind politisch vom Ringen des SED-Regimes um internationale Anerkennung gekennzeichnet. "Damit ging auch eine Neubewertung im Umgang mit historischen Kirchenbauten einher", sagt Henriette von Preuschen. "Die Hinwendung zur historischen Stadt rückte die Kirchen als historische Leitbauten in den Blick." Im europäischen Denkmaljahr 1975 gab sich die DDR in diesem Sinne ein neues Denkmalpflegegesetz. Aber auch dort, wo kirchliche Baudenkmale jetzt erhalten wurden, geschah dies oft in Form von "Denkmalinseln". Henriette von Preuschen: "Die Kirchen wurden auf diese Weise aus ihrer Stellung im Gesamtstadtbild herausgerissen und so wiederum marginalisiert." Ein Beispiel dafür ist das Kloster Unser Lieben Frauen in Magdeburg. Im Krieg zerstört, wurde es zwischen 1946 und 1952 wieder aufgebaut. Anschließend diente es als Gottesdienstraum, ging aber 1966 in den Besitz der Stadt über. Nach Sanierung und Umbau wurde es Museum und Konzerthalle.

Während der ganzen DDR-Zeit gilt: "Für den Umgang mit Kirchenbauten war nicht das Verständnis von Kulturdenkmälern entscheidend, sondern es ging um Politik, um außenpolitische und wirtschaftliche Aspekte", sagt Henriette von Preuschen. Kirchen waren für die DDR-Führung ein Ärgernis, nicht nur weil sie von der christlichen Vergangenheit zeugten, sondern auch weil sie Orte der Freiheit waren.

Von Matthias Holluba

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