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Anstoß

Die "Warum-Frage"

Pater Bernhard Kohl

"Warum gerade ich? Warum lässt Gott das zu? Warum hilft mir denn Gott nicht, wenn er allmächtig und gütig ist? Warum lässt er mich leiden?" Mit solchen oder ähnlichen Fragen von Menschen werden wir als Christen oft konfrontiert und fühlen uns oft ziemlich hilflos. Denn häufig steckt ja die Frage dahinter, ob es den christlichen Gott angesichts des Leidens von Menschen überhaupt geben kann.

Die Bibel kennt diese bohrenden Fragen. Im Alten Testament gilt Gott einerseits als der Herr über Leben und Tod. Krankheit wird als Folge begangener Sünden verstanden. Ein Leidender muss irgendetwas Schlechtes getan haben. Somit erlebt der Gläubige dann nicht nur Schmerzen oder die Bedrohung des eigenen Lebens, sondern außerdem die Infragestellung seiner Beziehung zu Gott. Daneben gibt es in der Bibel auch eine andere Position: Das Buch Hiob wendet sich ganz klar gegen diesen Automatismus. Hiob wird völlig unschuldig von der Wucht des Leids getroffen: Er verliert seine Familie, seinen Besitz, seine Freunde, seine Gesundheit. Aber: In allen 42 Kapitel schweigt sich das Buch Hiob über eine Antwort auf die Frage nach dem Warum, nach dem Sinn des Leidens aus. Es gibt keine Antwort.

Und Jesus? Auch er spricht nie - wirklich an keiner einzigen Stelle im Neuen Testament - über irgendeinen Sinn von Krankheit und Leid. Keine Frage: Leid und Lebensumbrüche können die Persönlichkeit eines Menschen zerrütten und das Maß des Erträglichen bei weitem übersteigen. Wie können wir Christen mit Menschen umgehen, die die Warum-Frage stellen und an Gott zweifeln? Die Warum-Frage sollte nicht vorschnell mit Antworten zugekleistert werden. Auch ein schweigendes Übergehen verspielt die Chance, einen leidenden Menschen zu unterstützen. Das Zulassen der Warum-Frage kann für den Betroffenen zum Türöffner werden, um sich dem Leiden und seinem Innern zu stellen. Zulassen meint: präsent sein, wenn der Leidende Gott seinen Schmerz hinhält; wenn Gott angeklagt wird; wenn versucht wird, die Not in Worte oder in ein Gebet zu fassen. Mit anderen zusammen geduldig aushalten und sehen, ob und was Gott daraus macht. Damit beginnt ein Prozess, der zu Veränderungen führen kann. Was genau in dieser Zeit passiert, ist sehr individuell. Bei einigen verlagern sich die Schwerpunkte der Lebensgestaltung. Menschen berichten, dass sie "zur Ruhe gekommen" sind, oder sich mit "ihrem Schicksal" ausgesöhnt haben.

Solches Aushalten setzt einen der Gefahr der Enttäuschung aus. Aus lauter Angst vor Enttäuschung kommen viele dann aber gar nicht erst in das innere Gespräch mit Gott. Berthold Brecht sagte einmal: "Wer kämpft, der kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat bereits verloren."

P. Bernhard Kohl OP,
Leipzig

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