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Anstoß

Postauto und Christkind

Guido Erbrich

Als ich klein war, wünschte ich mir zu Weihnachten ein kleines gelbes Postauto. Es stand in dem Spielzeugladen unseres Dorfes, war aus Holz, nicht sehr groß und der Einheitliche Verkaufspreis dürfte vielleicht drei Mark betragen haben. Das Weihnachtsfest rückte näher und die Spannung wuchs. Endlich ertönte das Glöckchen und wir Kinder marschierten in die Stube. Ich sah die aufgebauten Geschenke und suchte sofort. Es gab viele schöne Sachen. Sogar ein viel größeres Auto stand dabei. Aber das gelbe kleine Postauto hatte das Christkind einfach vergessen. Ich weiß nicht, ob das damals meine erste Glaubenskrise war. Jedenfalls lag das Christkind, das ja angeblich alles wusste, hier arg daneben, was mich ziemlich enttäuschte.

Ohne es zu ahnen, habe ich hier eine der wichtigsten Glaubenserfahrungen gemacht. Gott handelt nicht so, wie wir es von ihm erwarten. Er ist nun mal nicht der Weihnachtsmann, der einen Wunschzettel entgegennimmt und die aufgeschriebenen Wünsche erfüllt. Das ist das Problem und vielleicht haben deshalb so viele Menschen Schwierigkeiten mit ihm. Was nützt denn auch ein Gott, der meine Wünsche nicht erfüllt?

Ich glaube nicht, dass Gott unsere Wünsche egal sind. Aber es wird einfach nicht sein Job sein, Wunschzettel zu bearbeiten. Wir sind selbst dafür verantwortlich, Wünsche zu erfüllen. Er begleitet uns dabei, aber tun müssen wir es schon selber. Und: Einmal abgesehen von gelben Postautos, da gibt es schon Wünsche, die wir Menschen getrost haben dürfen. Der große Wunsch nach Frieden auf Erden, der Wunsch nach Gesundheit und einer intakten Umwelt.

Für alle diese Wünsche können wir etwas tun. Und selbst wenn wir den Eindruck haben, dass die Kleinigkeiten, die wir tun, die Welt nicht verändern. Wenn wir beginnen unser Umfeld zu verändern, werden manche Kleinigkeiten zu einer großen Sache.

Eines der schönsten Rezepte für diese Wunschtherapie kommt von Johannes XXIII., einem der beeindruckendsten Päpste des 20. Jahrhunderts: "Nur für heute werde ich mich an die Umstände anpassen - ohne zu verlangen, dass sich die Umstände an meine Wünsche anpassen. Nur für heute werde ich eine gute Tat vollbringen - und ich werde es niemanden erzählen."

Womit wir wieder beim Christkind wären. Die guten Geschenke und Gaben bereiten wir uns selbst. Wenn alles klappt, mit Gottes Hilfe. Und das können wir das ganze Jahr über - nicht nur zu Weihnachten. Ab die Post!

Guido Erbrich,
Bautzen

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