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Indien verändert

Eindrücke von Ludwig Salzmann aus dem Bistum Magdeburg

Jeßnitz (tdh/sal). Am Anfang stand der Wunsch, eine neue Kultur kennenzulernen und Erfahrungen im indischen Schulbetrieb zu sammeln. So machte sich Ludwig Salzmann aus Jeßnitz vor fünf Monaten auf den Weg nach Indien, wo er in der Schule Shri Sachidanand Gurukul in der kleinen Stadt Sihor im Bundesstaat Gujarat lebte.

In Indien traf Ludwig Salzmann mit Schülern zusammen, die vom Indienpatenschaftskreis Kirchworbis unterstützt werden.

In der indische Schule Shri Sachidanand Gurukul werden Schüler unterrichtet, deren Eltern zu arm sind, um die Bildung für ihre Sprößlinge zu selbst zu finanzieren. Möglich wird dies durch Gelder des Indien-Patenschaftskreises in Kirchworbis, in dem der Onkel von Ludwig Salzmann mitarbeitet. Freiwillige Spender übernehmen eine Patenschaft für einen Schüler, mit der auch eine Unterkunft im Internat möglich ist. Inzwischen gibt es deutschlandweit etwa 250 Paten.

"Als ich hier ankam, musste ich mir meine Aufgaben selbsständig suchen. Ich fand sie im Unterrichten der Schüler in Englisch, dem täglichen Fußballtraining mit den Jungs und der Unterstützung der Schwestern beim Zubereiten der Speisen", berichtet Ludwig Salzmann. In der Schule läuft alles nach Plan: Jeder Tag beginnt mit einem Gebet, am Vormittag ist Schule, nach dem Essen gibt es eine Pause. Danach wird der Hof gereinigt und anschließend erledigen die Schüler die Hausaufgaben, schließlich sind eineinhalb Stunden Freizeit vorgesehen. Am Abend ist Waschen angesagt und es wird nochmal gelernt, den Abschluss des Tages bildet wiederum ein Gebet, das mit einem Gespräch, über den vergangenen Tag verbunden ist. Es ist den Schülern anzumerken, dass sie großen Respekt gegenüber ihren Erziehern haben. Außerdem sind sie alle sehr strebsam.

Kreativität fördert das Selbstbewusstsein


Zum Schulleben in Sihor gehören neben dem Unterricht die außerschulischen Aktivitäten. So treffen sich die Schüler in Gruppen und proben selbstständig Tänze, Dramen oder Sketche ein. Oft werden nach den Aufführungen Preise für den besten Tanz, das beste Kostüm und vieles mehr vergeben. Das fördert das Selbstbewusstsein.

Im Bundesland Gujarat feiert die Bevölkerung zahlreiche Feiertage. Besonders beeindruckend war Navratri, das Fest der neun Nächte. Dabei treffen sich die Leute jeden Abend um gemeinsam Gerba, einen traditionellen Tanz, zu tanzen. Manchmal tanzen die Priester und Schwestern mit. Sie sind gleichzeitig so etwas wie Eltern für die Kinder, da die Schüler meistens nur einmal in zwei Monaten in ihre Heimatorte kommen.

Ludwig Salzmann beeindruckte in Indien schon ab den ersten Tagen die indischen Gastfreundlichkeit. Auf den Straßen werden Besucher immer wieder von interessierten Einheimischen angesprochen. Die meisten Inder wollen Fotos, um sie später stolz ihren Freunden zu zeigen. Oft werden Gäste in die Häuser eingeladen. Dort bekommen sie immer einen Tee, der aus Tradition nicht abgelehnt werden sollte. Nicht selten steht ein schmackhaftes indisches Essen auf dem Tisch. "Man merkt es besonders in den Dörfern, wie traditionell die Inder leben. Das Kastensystem hat zwar inzwischen an Einfluss verloren, besitzt aber trotzdem noch eine ziemlich große Bedeutung. Die Kaste, in die man hineingeboren wird, bestimmt immer noch entscheidend über den sozialen Rang in der Gesellschaft", berichtet Ludwig Salzmann. Betroffen davon sind besonders die Frauen. Einige Beispiele: Frauen verschleiern ihr Gesicht, das von Männern höherer Kasten nicht gesehen werden darf. Oder: Es ist nicht selten, dass Frauen niederer Kasten auf dem Bau oder in der Landwirtschaft arbeiten müssen, da ihnen nicht soviel gezahlt werden muss. Doch langsam gewinnen die Frauen an Einfluss: Der Prozentsatz der Frauen in der Politik steigt Jahr für Jahr. Außerdem wurden Emanzipationsgruppen gebildet, die immer weiter in Männerdomänen vorstoßen. Doch nach wie vor bleiben die meisten Frauen nach der Hochzeit zu Hause und kümmern sich um den Haushalt. Die Hochzeit ist für Inder ein höchst feierlicher Akt und obwohl die Zahl der "Liebesheiraten" in den letzten Jahren anstieg - besonders in städtischen Regionen - , werden die meisten Ehen immer noch arrangiert. Die Mitgift ist zwar illegal, spielt aber weiter eine Schlüsselrolle. Nach der Heirat zieht die Frau meist in das Haus der Familie ihres Mannes. Scheidungen und Wiederverheiratungen werden allgemein von der Gesellschaft missbilligt und sind äußerst selten.

Intoleranz und Fundamentalismus


In Indien prägt die Religion alle Bereiche des alltäglichen Lebens. In jedem Haus befindet sich ein kleiner Tempel, Kreuze oder andere Glaubenssymbole. Die am häufigsten praktizierte Religion ist der Hinduismus mit 82 Prozent der Bevölkerung, gefolgt vom Islam mit zwölf Prozent und dem Christentum mit einem Anteil an der Bevölkerung von 2,3 Prozent. Weitere Religionen sind der Sikhismus, Buddhismus und Jainismus.

Doch die tiefe Religiosität der Inder schlägt bei einigen Gruppen in Richtung Intoleranz und Fundamentalismus aus. Die meisten Spannungen entstehen zwischen Moslems und Hindus. Ludwig Salzmann schreibt: "Speziell sei hier an die Terroranschläge in Bombay erinnert. Die Attentate hatten das Ziel, den Konflikt zwischen Pakistan und Indien weiter zu verschärfen, doch sie erreichten das Gegenteil. Die Regierungen beider Länder wollen in Zukunft gemeinsam gegen den Terrorismus vorgehen."

Leider ist die Korruption in Indien weit verbreitet. Wenn man eine Fahrerlaubnis braucht, man zu schnell gefahren ist, ein gutes Zeugnis will, muss nur ein gewisser Betrag überwiesen werden. Nicht immer können die Menschen in wichtigen Positionen dem Geld nicht widerstehen. Die Vielfalt an illegalen Handlungen erschwert Indien eine schnelle Entwicklung. Somit öffnet sich die soziale Schere weiter. In Indien leben schätzungsweise rund 350 Millionen Menschen unterhalb der Armutsgrenze, 75 Prozent davon in ländlichen Regionen. Viele andere vegetieren in furchtbar überfüllten Slums dahin. Hauptursache der Armut sind mangelnde Bildung und ein Bevölkerungszuwachs, der Indiens Wirtschaftswachstum übersteigt.

Die Armut zeigt sich in vielen Familien. Viele behalten ihre Kinder im Haus, da sie kein Geld für Bildung aufbringen können. So arbeiten die Kinder auf der Farm oder schleifen Diamanten, man missbraucht sie zum Betteln und Stehlen oder man verkauft sie in die Prostitution. Armut ist zudem eng verbunden mit Aids. Neuesten Berichten zufolge hat Indien Südafrika als Land mit der höchsten Rate an HIV-Infizierten überholt - zurzeit gibt es über 5,7 Millionen registrierte Fälle. Auch in Umfeld der Schule Sachidanand Gurukul leben viele Aidswaisen.

Immer wieder sieht man in Indien Menschen, die in Zelten aus Lehm und Plastik wohnen. Man sieht es in ihren Gesichtern, wie hart ihr Leben war und ist. Dennoch grüßen sie zumeist mit einem Lächeln. Doch Ludwig Salzmann durfte auch schöne Erfahrungen machen. Er berichtet: "Weihnachten habe ich in einem kleinen Dorf auf dem Land verbracht. Zusammen mit einer achtköpfigen Familie lebte ich in einem 3-Raum-Haus, das heißt, Schuppen, Lebensraum sowie Bad/Küche, als Toilette diente ein einfach abgedecktes Loch. Es war faszinierend zu sehen, wie glücklich die Familie mit ihrem Leben ist. Der 15-jährige Sohn will wie sein Vater als Bauer arbeiten. Auf der anderen Seite träumen viele Inder vom schnellen Geld. Sie wollen Karriere im Ausland machen. Um sich das Luxusleben, mit dem sie täglich durch die Medien konfrontiert werden, zu erfüllen.

Leben, ohne jede Rücksicht auf die Umwelt

Ludwig Salzmann aus Jeßnitz besuchte Indien.


Ein Problem besondere Art ist die Umwelt. In Sachen Umweltbewusstsein gibt es keine Unterschiede zwischen Arm und Reich. Die Straßen sind immer voller Müll, der gelegentlich durch Verbrennen beseitigt wird und somit giftige Gase freisetzt. Außerdem leiten die Industrien Chemikalien in die Gewässer oder verschmutzen die Luft mit Abgasen. Wälder werden gerodet, um neues Agrarland oder neue Wohnräume zu erschließen. In Shimla traf Ludwig Salzmann einen Inder, der sich für die Umwelt einsetzt. Er holt wöchentlich Berge voller Müll aus den Wäldern und hilft bei Aufforstungen mit. Doch leider gibt es viel zu wenige solcher Inder, um ernsthaft etwas zu bewirken.

Zum Ende seines Berichtes betont Ludwig Salzmann: "Auf Indien kann man sich nicht vorbereiten, denn das Wesen dieses Landes ist voller Gegensätze. So gibt es zwei Möglichkeiten: Indien zu lieben oder nicht zu mögen. Aber egal wie: Das Land verändert einen, und egal, wohin man geht oder was man tut - es ist ein Ort, der unvergessen bleibt."

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