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Seelsorger für die Katholiken im fremden Haus DDR

Vor 40 Jahren starb Otto Spülbeck / Biografie vorgestellt

Dresden. "Otto Spülbeck - Ein Leben für die Diaspora" heißt die Biografie des Meißner Bischofs, die im St. Benno-Verlag Leipzig erschienen ist. Verfasser Christian März stellte sie kurz vor dem 40. Todestag Spülbecks am 21. Juni im Dresdner Kathedralforum vor.

Bischof Otto Spülbeck bei einem seiner vielen Gemeindebesuche im Bistum: Firmung in Bischofswerda. Foto: Michael Lehmann

Er kam aus dem tiefsten Westen und wurde ganz im Osten Deutschlands zu einer der prägendsten Gestalten der katholischen Diasporakirche: Otto Spülbeck. 1908 in Aachen geboren, ging er gegen Ende seines Theologiestudiums in die sächsische Diaspora und wurde 1930 in Bautzen zum Priester geweiht. Nach Stationen in Chemnitz und Leipzig trug er von 1955 bis 1970 als Bischof die Verantwortung für das Bistum Meißen.

Besondere Verdienste hat Spülbeck sich durch sein Ringen um ein glaubwürdiges Zeugnis der katholischen Christen unter den Bedingungen der sozialistischen DDR erworben. Ein Gundsatzprogramm dafür ist sein Predigtwort auf dem Kölner Katholikentag 1956 vom "fremden Haus", in dem die Katholiken in der DDR leben und dessen Fundamente sie für falsch halten. Dennoch seien sie bereit, sich an dem Gespräch zu beteiligen, wer im Haus die Treppe saubermache.

Der 1975 in Leipzig geborene Theologe Christian März hat jetzt eine Biografie Otto Spülbecks vorgestellt. Darin beschreibt März ihn vor allem als Seelsorger in der Diaspora. "Spülbeck kann man nur von seiner Lebensentscheidung für die Diaspora her verstehen", sagt März und belegt das mit einem Zitat aus dessen Testament: "Ich habe die Diaspora geliebt, ihre Einsamkeit und ihre Gemeinsamkeit. Mein ganzes Priesterleben habe ich hier zugebracht und habe das Staunen bis heute nicht verlernt über die reiche Frucht, die Gott aus steinigem Boden erwecken kann."

Die Entscheidung für die Diaspora fiel in der Studienzeit. Zunächst hatte Spülbeck sich den Naturwissenschaften gewidmet. Ihnen blieb er ein Leben lang verbunden und beschäftigte sich später angesichts der atheistischen Propaganda immer wieder mit dem Verhältnis von Naturwissenschaft und Glaube. Sein Buch "Der Christ und das Weltbild der modernen Naturwissenschaften" war die Antwort auf "Weltall - Erde - Mensch", das Propagandabuch für Jugendweiheteilnehmer. Zu Konzilszeiten bezeichnete ihn eine italienische Zeitung - für Christian März ein wenig zu euphorisch - als "Atom-Bischof aus Bautzen", weil er den einzige Bischof weltweit sei, der sich mit Atomphysik auskenne.

Ausschlag für das Priesterleben in der Diaspora gab der 1924 während des inzwischen aufgenommenen Theologiestudiums in Innsbruck entstandene Kontakt zu dem Freundeskreis, aus dem später das Leipziger Oratorium hervorging. Spülbeck wurde zwar - trotz mehrfacher intensiver Bitten um Freistellung, denen aber wegen Personalmangel nicht stattgegeben wurde - kein Mitglied, versuchte die Idealen des Oratoriums aber als Pfarrseelsorger zu leben.

Die ersten Jahre der priesterlichen Tätigkeit Spülbecks fallen in die Nazi-Zeit. Schon hier soll er offen gegen das Regime Stellung bezogen haben. Rundfunkansprachen belegen das ebenso wie spätere Stasi-Einschätzungen, berichtet März. 1945 wird Spülbeck Propst in Leipzig und ihn beschäftigt die Frage, wie die katholische Kirche in einem sozialistischen Land bestehen kann. Klar: Die Kirche hat keinen Platz in der politischen Arena, aber sie soll in die Gesellschaft hineinwirken und für ein menschenwürdiges Miteinander sorgen. Sein Wort vom "fremden Haus" ist für Christian März deshalb falsch interpretiert, wenn man es einseitig im Sinne von Abgrenzung versteht. "Dieses Wort bringt auch das Anliegen zum Ausdruck, als Kirche in der Gesellschaft präsent zu sein." In Hirtenbriefen und Predigten legt Spülbeck als Bischof diese Haltung aus. Er fordert die Katholiken auf, Zeugnis in der Arbeitswelt abzulegen, sich in Elternaktiven, beim Roten Kreuz oder in Schlichtungskommissionen zu engagieren, "überall dort, wo es um echte Mitmenschlichkeit geht". Aus heutiger Sicht fragt März allerdings: "Konnte es in den DDR tatsächlich politisch unbesetzte Räume geben?"

Eine entscheidende Zeit für den Bischof Spülbeck wurde das Zweite Vatikanische Konzil. "Diese Erneuerung war ihm seit Jahren ein wichtiges Anliegen", sagt März. Das galt zunächst für eine zeitgemäße Liturgie, wie Spülbeck sie schon als Jugendlicher in der damaligen katholischen Jugendbewegung kennengelernt hatte. Unter DDRBedingungen, wo Religionsfreiheit oft nur Kultfreiheit bedeutete, war eine lebendige Liturgie für ihn eine "Frage auf Leben und Tod".

Spülbeck begrüßte aus vollem Herzen auch den Kontakt der Kirche zur Welt. Hier befand er sich im Gegensatz zum damaligen Berliner Kardinal Alfred Bengsch, der die Konstitution über die Kirche in der Welt von heute (Gaudium et spes) ablehnte, weil er befürchtete, den Kommunisten öffneten sich so Einfallstore in die Kirche. Für Christian März sind beide Haltungen nachvollziehbar. Dennoch zeichnet sich hier ein Konflikt ab, der Spülbeck in den letzten Lebensjahren zunehmend zu schaffen gemacht hat.

Zurückgekehrt vom Konzil berief er als einer der ersten Bischöfe weltweit eine Diözesansynode ein, die die Konzilsbeschlüsse vor Ort umsetzen sollte. Zwar beharrte Spülbeck auf seiner Autorität als Bischof, räumte aber den Laien Mitverantwortung und die Beteiligung an Entscheidungen ein. Diese Haltung und das Bemühen der Synode um eine Standortbestimmung der Kirche in der DDR mit eventuellen Konsequenzen für das Prinzip der politischen Abstinenz riefen vor allem im Bistum Berlin Kritiker auf den Plan. Bengsch nahm seinen Vorwurf, die Synode sei häretisch, zwar zurück. Für falsch hielt er sie dennoch. Spülbeck selbst starb vor Ende der Synode, die dann - so der offizielle Sprachgebrauch - in die Pastoralsynode der katholischen Kirche in der DDR überführt wurde. Mancher hält damit das Projekt Spülbeck für gescheitert. Christian März sieht das nicht so. "Für Spülbeck war das Entscheidende der Prozess der Synode. Das war eine Schule der Demokratie." Und die ist nicht gescheitert, was sich in den späteren DDR-Jahren dann gezeigt hat.

Anlässlich des 40. Todestages von Bischof Otto Spülbeck findet am 21. Juni (18 Uhr) in der Dresdner Kathedrale ein feierliches Requiem statt.

Von Matthias Holluba



Hinweis

"Otto Spülbeck. Ein Leben für die Diaspora" von Christian März ist im Leipziger St. Benno-Verlag erschienen (ISBN 978-3-7462-2855-6) und kostet 29,80 Euro. Mehr Informationen im Internet: www.st-benno.de

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