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Anknüpfen ans Alltagserleben

Ein Interview zum 20-jährigen Bestehen des Ökumenischen Informationszentrums in Dresden

Dresden. 20-jähriges Bestehen feiert das Ökumenische Informationszentrum (ÖIZ) in Dresden am 1. Juli. Annemarie Müller ist Geschäftsführerin des ÖIZ-Trägervereins, der die Themen der Ökumenischen Versammlung von 1989/90 wachhalten und die Ökumene in der Region voranbringen will.

Annemarie MüllerIn der Gründungszeit des ÖIZ vor 20 Jahren lagen die Themen Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung und Ökumene gewissermaßen in der Luft. Die Zeiten haben sich geändert. Wie erreichen Sie heute Menschen mit Ihren Anliegen?

Ich würde Ihnen da gleich einmal widersprechen: Die Themen sind meiner Ansicht nach genauso präsent wie vor 20 Jahren. Geändert hat sich allerdings teilweise die Art, sie zu vermitteln. Natürlich sind auch die aktuellen Bezüge, an die wir anknüpfen, immer andere. Beim Thema Frieden war in der Gründungszeit beispielsweise gerade der Irakkrieg aktuell, heute steht Afghanistan im Blickpunkt. Wir setzen jedoch bei unseren Veranstaltungen in Schulen, an der Universität und in Gemeinden zunehmend beim eigenen Alltag der Teilnehmer an und zeigen Wege zur friedlichen Lösung von Konflikten auf, die letztlich auch auf große Konflikte übertragbar sind.

Ist es denn aber nicht schwieriger geworden, Ehrenamtliche zu finden, die sich für den Frieden oder für die Umwelt engagieren wollen?

Es ist schon zu spüren, dass es die Basisgruppen, die sich zu DDR-Zeiten so zahlreich unter dem Dach der Kirche trafen, kaum noch gibt. Wir gehen ja mit unseren Informations- und Bildungsveranstaltungen in erster Linie in kirchliche Gemeinden und Gruppen, die uns einladen. Es sind im Wesentlichen in den letzten Jahren immer die gleichen Gruppierungen, die Interesse bekunden. Das Positive daran: Wir haben zeitliche Kapazitäten, über den kirchlichen Rahmen hinaus wirksam zu werden und damit die neuen Möglichkeiten zu nutzen, die sich der Kirche zu DDR-Zeiten noch nicht boten. Ich habe beispielsweise als Friedensreferentin einen Lehrauftrag in der Lehrerausbildung der Technischen Universität Dresden.

Wie schätzen Sie den Beitrag der katholischen Kirche für die Arbeit des ÖIZ ein?

Was ich eben allgemein für alle Gemeinden sagte, gilt ebenso für die katholischen: Es gibt manche Gemeinden, die uns immer wieder zu Veranstaltungen einladen und andere, die all die Jahre nie Interesse gezeigt haben. Klemens Ullmann, der Dekan der katholischen Kathedralgemeinde, vermittelt viel von unseren Anliegen an die katholischen Gemeinden und unterstützt unsere Arbeit voll. Wir sind dafür sehr dankbar. Bereits bei der Gründung war er dabei. Damals hatte er nicht geglaubt, dass wir überleben werden.

Worin lagen in der bisherigen Geschichte des ÖIZ die größten Herausforderungen?


Äußerlich fällt mir da als erstes die Flutkatastrophe von 2002 ein. Das Ladencafé AHA neben der Dresdner Kreuzkirche, bei dem wir Teilhaber sind, stand damals unter Wasser - eine Herausforderung, die wir gemeinsam getragen haben. Eine weitere Schwierigkeit sind die Finanzen. Da werden wir immer wieder an unsere Grenzen geführt. Gegenwärtig spüren wir, dass die Finanzkrise auch bei den kleinen Vereinen ankommt: Es gibt deutlich weniger Fördergelder, Projekte werden nicht länger unterstützt, die Spenden gehen zurück ... Inhaltlich stehen wir vor der Herausforderung, unsere Grundideen möglichst gut rüberzubringen, ohne anzuecken. Ein einziges Mal ist es passiert, dass wir uns politisch zu weit aus dem Fenster gelehnt haben. Das war 1995, als der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl zu Besuch in Dresden war. Wir forderten ihn in einem offenen Brief auf, sich erst einmal deutlich zu den Vorkommnissen in Tschetschenien zu positionieren, bevor er an einer Friedenskundgebung zum Jahrestag der Bombardierung Dresdens teilnimmt. Seitens der Kirchen war unser Brief nicht so gern gesehen. Wir sind nach Diskussionen unter den Vereinsmitgliedern dann auch zu der Erkenntnis gekommen, dass es nicht unsere vorrangige Aufgabe sein kann, Stellung zu jeder aktuellen politischen Diskussion zu beziehen. Unsere Hauptaufgabe ist die Bildungsarbeit. Darin haben wir 20 Jahre lang mit Konstanz gearbeitet und stoßen damit auf ziemlich breite Anerkennung.

Fragen: Dorothee Wanzek

Kontakt: Telefon 03 51/4 92 33 65



Hintergrund

Aktivitäten des ÖIZ


- Gemeindeveranstaltungen aus dem Themenbereich Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung, Ökumene

- Umwelt-Projekte in (Grund-) Schulklassen zu Themen wie Erde, Wasser oder Brot.

- Beratung für Migranten im Referat CABANA - Begegnungen und Mitfeierprojekte zwischen Christen, Muslimen und Juden

- Vorträge und Seminare zum Christlich-Islamischen Dialog

- Ermutigende Gespräche mit Kirchenvertretern, um darauf hinzuwirken, dass wichtige Veranstaltungen nicht separat, sondern in ökumenischer Gemeinschaft stattfinden.

- Studienbegleitprogramm für ausländische Studenten aus Afrika, Asien und Lateinamerika in Sachsen

- Eine-Welt-Bildungsarbeit in enger Zusammenarbeit mit dem Verein INKOTA

- Teilhabe am Dresdner Ladencafé AHA, das ein Vollwertrestaurant und drei Weltläden mit ökologischen und fair gehandelten Produkten betreibt.

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