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Anstoß

Die Pünktlichkeit der Könige

Pater Bernhard Kohl

Im Jahr 2006 führte eine britische Mobilfunkfirma eine repräsentative Umfrage durch. 40 Prozent der Befragten gaben an, dass für sie durch die Verbreitung von Mobiltelefonen das Problem der Verspätung eigentlich keines mehr ist. Wenn man den Wartenden darüber benachrichtigen könne, dass man sich verspäte, sei nicht schlimm, wenn man die verabredete Zeit nicht einhalte. Bei dieser Erhebung ergaben sich Wartezeiten für die "Benachrichtigten" von durchschnittlich 47,2 Minuten, zumindest bei Freunden und Bekannten.

Auch in Deutschland wird Ordnung heute eher kritisch gesehen. Zu steril, zu steif, zu wenig lässig. Und vermutlich muss man solcher Kritik teilweise zustimmen: Die schmale Grenze zwischen Ordnung und Ordentlichkeit und den jeweiligen Übertreibungen gilt es zu erkennen. Vielleicht werde ich erst, wenn ich Freunde oder Bekannte vergrätzt habe, weil ich dauernd zu spät bin, erkennen, dass Ordnung für das Zusammenleben von Menschen unabdingbar ist. Mag auch die Zeit von absolut verbindlichen Regelwerken vorbei sein, so gibt es dennoch kein menschliches Zusammenleben ohne gewisse Ordnung. Menschen, die in Staaten leben, deren Gesellschaft aus der Ordnung geraten ist, die beispielsweise keine ordentliche Gerichtsbarkeit mehr haben, blicken in eine lebensbedrohliche Unordnung.

Von diesem Zusammenhang zwischen Ordnung und Leben wussten schon die biblischen Schriftsteller. So versteht das Buch Genesis unter Gottes schöpferischem Handeln, dass Gott ordnend tätig wird, dass er das wüste und wirre Chaos, die Unsortiertheit des Anfangs, bändigt und aus einer lebensfeindlichen eine lebensfördernde, ja lebensfreundliche Umwelt schafft. Gott möchte von Anfang an, dass sich seine Geschöpfe zu ihrem Wohl entfalten können. Deswegen errichtet er durch seine Schöpfung das Lebenshaus als eine Ordnung um des Lebens willen.

Menschen stehen vor der Aufgabe gegen Lebensfeindlichkeiten einzutreten: gesellschaftliche Zustände, die Menschen daran hindern in Würde zu leben; Handlungsweisen, die es Menschen unmöglich machen sich als geliebte Geschöpfe Gottes anzunehmen. Positiv gewendet: Unsere schöpferische Aufgabe besteht darin, Leben zu ermöglichen, lebensfreundliche Räume zu gestalten und das Gelingen von menschlichem Leben zu fördern - unseres eigenen Lebens und des von anderen. Das kann schon damit beginnen bei der nächsten Verabredung einfach pünktlich zu sein.

Pater Bernhard Kohl, Dominikanerkloster St. Albert in Leipzig

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