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So transparent wie möglich

Wie man Kinder und Jugendliche wirksam vor Missbrauch schützen kann - Schulungstag der Fokolare

Zwochau. Bistumsleitungen, katholische Schulen und Jugendverbände denken gegenwärtig darüber nach, wie Kinder und Jugendliche wirkungsvoll vor sexuellem Missbrauch geschützt werden können. In der Fokolar-Bewegung begannen diese Überlegungen lange bevor Missbrauch in Deutschland zum Medienthema wurde.

"Unser Anliegen ist es, die Kinder und Jugendlichen, die man uns anvertraut, so gut wie möglich zu schützen", sagt der Nürnberger Psychiater Hermann Schweers. "Ziel unserer geistlichen Gemeinschaft ist es ja, Menschen zu vermitteln, wie das Evangelium alle Bereiche des Lebens erhellen und durchdringen kann - und dazu gehört natürlich die Sexualität."

Hermann Schweers gehört der 2008 gegründeten Kommission an, die Leitlinien zum Vorgehen bei Missbrauchs-Verdachtsfällen in der Fokolar-Bewegung in Deutschland erstellt hat. Kürzlich leitete er in Zwochau eine Schulung für rund 40 Ehrenamtliche, die sich in der Kinder- und Jugendarbeit der Fokolare in den neuen Bundesländern engagieren.

Eine Kultur der Achtsamkeit befördern

Ein wesentlicher Inhalt der Schulung sei es, für unterschiedliche Ausdrucksformen sexuellen Missbrauchs zu sensibilisieren, machte Hermann Schweers deutlich. Beispielsweise machte er bewusst, dass es auch Formen sexueller Gewalt ohne Körperkontakt gibt, sexistische Beschimpfungen etwa oder das Fotografi eren beim Duschen. In vielen Fällen sei bei sexuellen Grenzverletzungen nicht allein das "objektive Geschehen" maßgebend, sondern auch das subjektive Erleben der Betroffenen, erläuterte der Psychiater.

"Das war doch nur Spaß" sei kein Freibrief für gedankenloses Verhalten. Wo sich jemand bloßgestellt fühle, höre der Spaß auf. Zwar ließen sich unbedachte Bemerkungen, grobe Berührungen oder Spiele, bei denen jemand ausgelacht werde, bei Veranstaltungen kaum ganz vermeiden. Entscheidend sei aber, dass Verantwortliche solche Verhaltensweisen erkennen und korrigieren. Andernfalls entwickle sich schnell eine "Kultur", in der Beschimpfen, "Begrabschen" und Ausgrenzen in Kauf genommen wird.

Regeln sollen schützen, das Leben aber nicht ersticken

Bei den präventiven Maßnahmen, zu denen die Leitlinien der Bewegung alle Verantwortlichen für Gruppen und Veranstaltungen verbindlich verpfl ichten, geht es in erster Linie um größtmögliche Transparenz: Programminhalte sollten niemals im Alleingang ausgewählt und festgelegt werden, besagt etwa eine Handlungsempfehlung. Von gemeinsamen Schlafräumen für erwachsene Betreuer und Minderjährige raten die Handlungsempfehlungen ab. Wenn dies organisatorisch nicht möglich ist, müssen die Erwachsenen mindestens zu zweit sein. Falls Kinder oder Jugendliche um ein vertrauliches Gespräch bitten, sollten Verantwortliche dafür allgemein zugängliche, möglichst einsehbare Räume wählen.

"Wir werden weiter an den Leitlinien arbeiten und sie immer wieder an der praktischen Durchführbarkeit messen", kündigte Hermann Schweers an. Die Gefahr, dass Kinder- und Jugendarbeit durch zu enge Regeln und zuviel Bürokratie an Lebendigkeit verliert, sei den Psychologen, Ärzten, Theologen und Pädagogen der Kommission bewusst gewesen. Als negatives Beispiel habe man die kirchliche Jugendarbeit in den USA vor Augen gehabt. Dort sei es mittlerweile üblich, dass Gruppenleiter ihre Aktivitäten sehr detailliert schriftlich dokumentieren. Die Fokolare haben für ihre Leitlinien auf Vorarbeit aus der Erzdiözese Freiburg zurückgegriffen. Wie dort üblich haben alle Teilnehmer der Präventionsschulung in Zwochau abschließend eine Selbstverpfl ichtung unterzeichnet, in der sie die Leitlinien als Grundlage ihrer künftigen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen anerkennen. Die Fokolar- Bewegung in Ostdeutschland hat sich verpfl ichtet, die Verantwortung für Kinder und Jugendliche fortan nur noch Erwachsenen zu übertragen, die an einem entsprechenden Schulungskurs teilgenommen und die Selbstverpfl ichtung unterzeichnet haben.

"Der Missbrauchs-Präventionskurs ist nur ein erster Schritt", sagt Andrea Blaschke aus Leipzig, die für die Arbeit mit weiblichen Jugendlichen verantwortlich ist. "Wir müssen uns generell Gedanken darüber machen, wie wir im Bereich der Sexualität Werte an Kinder und Jugendliche vermitteln", wünscht sie sich. Dass die Fokolar-Bewegung zunehmend in Kontakt mit Heranwachsenden komme, die nicht mit katholischen Wertvorstellungen aufgewachsen sind, sei zwar erfreulich, es stelle die Verantwortlichen aber auch vor neue Herausforderungen. "Denen werden wir uns letztlich nur in enger Abstimmung mit den Eltern stellen können", ist sie überzeugt.

Von Dorothee Wanzek

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