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Ökumene ist nicht einfach

Zum ersten Mal seit 1945 fand in der Radmeritzer Kirche ein evangelischer Gottesdienst statt

Görlitz ( jay). Ökumene ist nicht einfach. Noch schwieriger wird sie aber über Ländergrenzen hinweg. Erste Schritte haben polnische Katholiken und deutsche Protestanten jetzt in Radmeritz gemacht.

80 Besucher sind zum ersten deutschsprachigen evangelischen Gottesdienst in die Kirche von Radmeritz gekommen. Seit 1945 wird die Kirche von der katholischen Gemeinde genutzt.

Ein Besuch in der kleinen Kirche von Radmeritz (Radomierzyce / Zgorzelec) bei Görlitz-Hagenwerder ist für Else Katarzyna Borodako nichts Besonderes. Fast jeden Sonntag besucht die ältere Frau den katholischen Gottesdienst. Aber was sie jetzt erleben durfte, vergisst die gebürtige Deutsche sicher nicht so schnell: einen deutschen evangelischen Gottesdienst in der polnischen katholischen Kirche. "Das war sehr angenehm", sagt sie schlicht und ist doch Zeugin eines gewichtigen Ereignisses geworden.

Seit die Alliierten 1945 nach Kriegsende die Oder-Neiße-Linie zur deutsch-polnischen Grenze erklärten, ist die einstige Gemeinde Hagenwerder-Radmeritz in einen deutschen und einen polnischen Teil getrennt. Doch jetzt, zum 675. Jubiläum der Ersterwähnung Nikrischs, wie Hagenwerder bis zur Umbennung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1935 hieß, ist den Kirchgemeinden Großes gelungen. Seit März haben die evangelische Görlitzer Versöhnungskirchengemeinde und die katholischen Gemeinden aus Zgorzelec daran gearbeitet. Die Gründe liegen für Andrzej Wardawa, Pfarrer der Kirchgemeinde Wendisch Ossig (Osiek Luzycki), auf der Hand. "Wir finden es schön. Die Deutschen sind einfach zu sich gekommen, nach Hause."

Tatsächlich sind unter den etwa 80 Besuchern des deutschen Gottesdienstes viele, die in Radmeritz zur Schule gingen, in den 1930er Jahren in der Kirche getauft und konfirmiert wurden. Lothar Lange zum Beispiel. Zum Tag des offenen Denkmals im vergangenen Jahr hat er die Kirche erstmals wieder besucht. Und inzwischen sogar einen polnischen Gottesdienst erlebt. "Wir verstehen die Sprache nicht. Aber das ist kein Problem." Doch er gehört mit dieser Ansicht zu der Minderheit. Die Kirchgemeinden bemühen sich um Völkerverständigung, laden morgens zu einem polnischen katholischen Gottesdienst nach Radmeritz ein, direkt danach zum deutschen evangelischen. Dem schließen Pfarrer Dieter Liebig aus Deutsch Ossig und Pfarrer Wardawa sogar noch eine ökumenische Andacht mit Dolmetschern an, sprechen Grußworte und wagen einen Blick in die Zukunft - in der sie noch mehr Zusammenarbeit und Toleranz sehen, auch wenn es nur langsam vorangehen wird. Doch in den Gottesdiensten bleiben Deutsche und Polen zumeist jeweils unter sich. Nur wenige Neugierige verfolgen das Geschehen in der fremden Sprache.

Über solche Trennungen ist Else Katarzyna Borodako längst hinaus. Nach dem Kriegsende 1945 ist sie in Polen geblieben. Sie hat ihr ganzes Leben in Radmeritz verbracht. "Ich habe hier gleich nach dem Krieg meinen Mann kennengelernt." Es ist Liebe auf den ersten Blick, 1947 heiraten die beiden. Gemeinsam mit ihren Kindern lernt sie Polnisch, lebt sich ein. Den Kontakt zur deutschen Seite verliert sie dabei nie. Immer wieder besucht sie evangelische Gottesdienste in Markersdorf, wo ein Teil ihrer Familie lebt, und geht zu katholischen in Radmeritz. Sie lacht. "Es ist doch derselbe Gott."

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