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Lernbereitschaft und Reue erforderlich

Uni Halle: Aktuelle Stunde zur Debatte um Entscheidungen Benedikts XVI.

Halle. Die Aufhebung der Exkommunikation der vier zur Priesterbruderschaft St. Pius X. gehörenden Bischöfe durch Benedikt XVI. hat nichts mit einer unfehlbaren Entscheidung des Papstes zu tun. Dies hat die Hallenser Dogmatikerin Regina Radlbeck-Ossmann bei einer aktuellen Stunde in der Universität klargestellt.

Zu einer aktuellen Stunde zur Debatte um die Aufhebung der Exkommunikation von vier Bischöfen der Priesterbruderschaft St. Pius X. durch den Papst hatte die Hallenser Domatikerin Regina Radlbeck-Ossmann in die Universität Halle eingeladen. Der Hallenser Propst Reinhard Hentschel moderierte die Diskussion.

Unfehlbare Lehrentscheidungen des Papstes seien nur in Krisensituationen der Kirche und nur hinsichtlich der Bewahrung des überlieferten Glaubens (in Glaubens- und Sittenfragen) möglich und müssten als solche endgültig formuliert sein, sagte die geschäftsführende Direktorin des Instituts für Katholische Religion und ihre Didaktik an der Martin- Luther-Universität Halle-Wittenberg, Professorin Regina Radlbeck- Ossmann, am 5. Februar vor rund 100 Interessierten. Das Institut, an dem die Dogmatikerin lehrt, hatte mit der Katholischen Akademie des Bistums Magdeburg "zu einer aktuellen Stunde" in die Universität Halle eingeladen. Anlass war die Diskussion um die Aufhebung der Exkommunika- tion von vier Bischöfen der Priesterbruderschaft St. Pius X. durch Papst Benedikt XVI.

Sorge um Einheit ist zentrale Aufgabe des Papstes


Professorin Radlbeck-Ossmann hatte die öffentliche Veranstaltung "Unfehlbare Entscheidungen des Papstes?" überschrieben und nahm damit Bezug auf jüngste Äußerungen Hans Küngs, emeritierter Professor für ökumenische Theologie an der Universität Tübingen und Präsident der Stiftung Weltethos. Küng hatte im Blick auf die derzeitigen Auseinandersetzungen um die Aufhebung der Exkommunikation gegenüber dem Magazin Radiowelt im Bayerischen Rundfunk (Bayern 2) am 3. Februar die Entscheidung des Papstes scharf kritisiert und gesagt, "der Papst versucht immer noch, den Eindruck seiner persönlichen Unfehlbarkeit in wichtigen Entscheidungen aufrechtzuerhalten", auch wenn er den Entschluss, die Bischöfe wieder aufzunehmen, eigentlich zurücknehmen müsste. Küng: "Wer unfehlbar sich fühlt, macht auch unfehlbare Fehler, und unfehlbare Fehler kann man schlecht korrigieren." Der Theologe hatte 1970 das Buch "Unfehlbar? Eine Anfrage" veröffentlicht und sich kritisch mit der Frage unfehlbarer Lehrentscheidungen auseinandergesetzt. In der Folge ließ ihm der Vatikan 1980 die kirchliche Lehrbefugnis entziehen.

Radlbeck-Ossmann, deren Forschungsschwerpunkt der Dienst des Papstes an der Einheit ist, machte deutlich, dass Benedikt XVI. mit der Aufhebung der Exkommunikation der vier Bischöfe seinem zentralen Auftrag nachgekommen ist. "Aufgabe des Papstes ist es, Gefährdungen der Einheit zu erkennen, und zu versuchen, sie zu beheben. Dies gilt auch, wenn sich eine Gruppe wie die Pius-Bruderschaft von der Kirche getrennt hat", so die Theologin. Mit der Aufhebung der Exkommunikation habe der Papst den Bischöfen einen "Vertrauensvorschuss" gegeben, um ihnen eine Rückkehr in die katholische Kirche zu erleichtern. Nun seien jedoch die Bischöfe am Zuge, sich zu den Beschlüssen des Zweiten Vaticanums und zu den Päpsten Johannes XXIII., Paul VI., Johannes Paul I. und II. und dem jetzigen Papst und deren Verlautbarungen zu bekennen. Zudem sei ein Akt der Reue und Umkehr nötig, zumal die Verantwortlichen der Bruderschaft auch immer wieder ihre Amtsbrüder beleidigt hätten. Man könne geteilter Meinung darüber sein, so Radlbeck-Ossmann, ob die Priesterbruderschaft dazu bereit ist. Es seien auch Äußerungen im Umlauf, wonach Vertreter der Bruderschaft sagen: Jetzt gehen wir nach Rom und bekehren den Vatikan. Überhaupt seien viele der vertretenen Positionen der Bruderschaft schon "heftig".

Für den Papst offensichtlich eine schmerzliche Wunde


Eine äußerst unglückliche Verquickung der Umstände stellten die Äußerungen eines der vier Bischöfe zum Holocaust dar, die in zeitlicher Nähe zur Aufhebung der Exkommunikation bekannt wurden, so Radlbeck-Ossmann. Der in Argentinien lebende Bischof Richard Williamson hatte bereits Mitte November 2008 im Priesterseminar der Pius-Bruderschaft in Zaitzkofen bei Regensburg gegenüber dem Schwedischen Fernsehen SVT die Vernichtung der Juden in Gaskammern geleugnet. Zudem sagte Williamson, es seien nicht sechs Millionen Juden, sondern 200 000 bis 300 000 Juden unter den Nazis ermordet worden. Wenige Tage vor Bekanntwerden der Aufhebung der Exkommunikation hatte das Schwedische Fernsehen die Äußerungen veröffentlicht und ausgestrahlt. Professorin Radlbeck-Ossmann: "In dieser Hinsicht haben die Verantwortlichen in Rom vor der Aufhebung der Exkommunikation schlecht recherchiert. Der Papst konnte sich offensichtlich nicht auf die Zuarbeit seiner Mitarbeiter verlassen." Leider seien die Fehler des Vatikans in der Öffentlichkeit gnadenlos ausgeschlachtet worden. Die Behauptung von Medien, der Papst rehabilitiere Holocaust- Leugner, sei unhaltbar.

Nach Kenntnis von Frau Radlbeck- Ossmann gehören der Pius- Bruderschaft rund 400 Priester und insgesamt 600 000 Gläubige an, und deren Zahl würde zunehmen. "Die Zahl derer, die sich von der Öffnung der Kirche zur Welt von heute nach dem Zweiten Vaticanum überfordert fühlen, steigt", so Radlbeck-Ossmann. In einer Welt, die mit ihren vielfältigen Aspekten und Problemen immer komplexer wird und emotional eher kalt ist, suchten nicht wenige Menschen enge, überschaubare Gemeinschaft und eine einfache, klare Weltdeutung. Für den Papst sei diese Entwicklung einer möglichen wachsenden Spaltung offensichtlich "eine schmerzliche Wunde".

Unterdessen hat Bischof Williamson erklärt, er müsse die Glaubwürdigkeit der historischen Beweise bezüglich der Ermordung der Juden noch einmal prüfen. Nach Angaben von Mitarbeitern des Schwedischen Fernsehens hatte sich Williamson im November selbst zu dem Interview in Zaitzkofen bereit erklärt, bei dem er seine unhaltbaren Äußerungen machte. Im Januar habe die Pius- Bruderschaft jedoch versucht, die Ausstrahlung durch das Schwedische Fernsehen zu verhindern.

Hintergrund


Nach dem Kirchenrecht ist die Exkommunikation der vier Bischöfe der Priesterbruderschaft St. Pius X. eingetreten (Tatstrafe), als sie sich 1988 von dem von Rom getrennten Erzbischof Marcel Lefebvre (+1991) zu Bischöfen weihen ließen. Lefebvre hatte sich aus der Gemeinschaft der katholischen Kirche entfernt, weil er Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils vor allem hinsichtlich des Verhältnisses zu den nichtchristlichen Religionen (auch den Juden), bezüglich der Ökumene, im Blick auf Menschenrechte und Religionsfreiheit und bezüglich von Reformen der Liturgie nicht mittragen wollte. Die auf diesem Hintergrund praktizierten kirchlichen Vollzüge und Verlautbarungen des Erzbischofs und seiner Anhänger kamen dem Aufbau einer Gegenkirche gleich, wodurch sich Lefebvre die Tatstrafe der Exkommunikation zugezog. Die Weihe der vier Bischöfe, deren Exkommunikation der Papst jetzt auf deren Wunsch hin aufhob, ist nach kirchlicher Lehre zwar gültig, aber unerlaubt und nicht rechtmäßig. Die Bischöfe und Priester der Bruderschaft St. Pius X. sind nach katholischer Auffassung wegen ihrer bislang fortbestehenden Trennung von der Lehre der Kirche auch nach der Aufhebung der Exkommunikation vom Dienst suspendiert.

Von Eckhard Pohl

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