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Prophetie bei Johannes XXIII.

Eine ökumenische Festakademie im Magdeburger Roncalli-Haus

"Prophetie im Vermächtnis von Papst Johannes XXIII." war das Thema einer ökumenischen Festakademie. Damit beging das Magdeburger Roncalli-Haus am 24. Januar die Wahl Angelo Guiseppe Roncallis zum Papst sowie dessen Ankündigung und die Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils vor 50 Jahren.

Zeitzeugen im Podiumsgespräch: Jochen Garstecki (em. Generalsekretär Pax Christi), Nikolaus Klein SJ, Katharina Doyé, Domkapitular em. Willi Kraning, Bischof em. Leo Nowak, Altbischof Christoph Demke.

"Was der christliche, katholische und apostolische Glaubenssinn auf der ganzen Welt erwartet, ist ein Sprung nach vorn, der zu vertieftem Glaubensverständnis und Gewissensbildung führt, zu größerer Übereinstimmung mit der authentischen Lehre der Kirche, erforscht mit den Methoden und dargestellt in der Sprache der heutigen Zeit. Denn die Substanz des Glaubens ist das eine - etwas anderes ist seine Formulierung." So umschrieb Johannes XXIII. "den springenden Punkt" des von ihm einberufenen Zweiten Vatikanischen Konzils bei dessen Eröffnung am 11. Oktober 1962.

Die damit verbundenen Anliegen und weitere wesentliche Aspekte des Pontifikats des Roncalli-Papstes -wie dessen Engagement für die Einheit der Christen und ein wohlwollendes Verhältnis zu den anderen Religionen sowie für den Frieden und die Würde aller Menschen - kamen bei einer ökumenischen Tagung zur "Prophetie im Vermächtnis Johannes XXIII." am 24. Januar im Magdeburger Roncalli- Haus zur Sprache. Zu dem Tag hatten die Katholische Akademie des Bistums Magdeburg und die Heimvolkshochschule Roncalli- Haus eingeladen.

Den Glauben im Kontext der Geschichte und der Gegenwart zu deuten und zu praktizieren war Anliegen Johannes XXIII. Dies machte der Hauptreferent und Züricher Jesuit Nikolaus Klein deutlich. So gab es vor 50 Jahren etwa einen jahrhundertealten Riss zwischen dem allgemeinen Glaubensleben und dem Wissen um den Glauben, wie es zum Beispiel durch das Herangehen an die Heilige Schrift mit der historisch-kritischen Bibelauslegung gewonnen wurde, zu heilen, sagte der Herausgeber der Zeitschrift "Orientierung" in einem seiner beiden Vorträge.


Die Zeichen der Zeit erkennen

Zudem war es für Johannes XXIII. an der Zeit, Kirche zu leben, die "den Menschen an sich dient, nicht nur insofern sie katholisch sind". Daran erinnerte der emeritierte Domkapitular Willi Kraning, der die Festakademie leitete. Knapp zusammengefasst lasse sich das Anliegen des Papstes mit dem berühmten Wort vom "aggiornamento" ausdrücken, so der langjährige Seelsorger. Er meinte damit das Mühen um eine vertiefte Verheutigung und Inkulturation des Evangeliums in einer Menschheit, die sich im Umbruch befindet, ohne es ihr überzustülpen. Von Anfang an habe Johannes XXIII. die pastorale Dimension seines Wirkens betont. Mit der Ankündigung des Konzils am 25. Januar 1959 gab der Papst zugleich auch die Einberufung einer Synode in seiner Diözese Rom (und die Aufnahme der Arbeit an der Revision des Codex Iuris Canonici, des kirchlichen Rechtsbuches von 1919) bekannt. Das Konzil sollte von vornherein ein "dem heutigen Menschen verpflichtetes, pastorales Konzil" werden und "Antwort auf die entscheidenden Herausforderungen der Zeit" geben, wie Nikolaus Klein darlegte. Mit seinen Anliegen habe sich der Papst jedoch gegenteiligen Auffassungen zahlreicher Kurienvertreter gegenübergesehen.

In der Sorge um den Auftrag Jesu und die Glaubwürdigkeit der Verkündigung und im Blick auf das Heil aller Menschen war dem Papst die Einheit der Christen und ein gutes Verhältnis zu den anderen Religionen wichtiges Anliegen, so Kraning. Johannes XXIII. habe die Auffassung vertreten, "die Wahrheit erwächst aus der Liebe". Doch dieser prophetische Dienst sei leider abgelehnt worden. Kraning zitierte in diesem Zusammenhang den Gründer und langjährigen Prior der Brüder von Taizé, Frère Roger Schutz (+2005), der auf Einladung Johannes XXIII. als Beobachter am Konzil teilnahm. Schutz schreibt nach seinem letzten Gespräch mit dem Roncalli-Papst: Johannes XXIII. war bereit, die Einheit der Kirche wieder herzustellen, ohne einen historischen Prozess aufzurollen, ohne zu erforschen, wer im Unrecht und wer im Recht war ... Beim letzten Gespräch mit ihm wurde mir klar, dass man einen Propheten abgelehnt hatte ... In der Folge verrannte sich die ökumenische Bewegung in einen Parallelismus ... (Die Konfessionen gingen ihre getrennten Wege. Es reichte nur zu einem friedlichen Nebeneinander.)


Einheit der Christen und das Verhältnis zu den Religionen

Genauso habe Johannes XXIII. auch den Juden die Hand entgegengestreckt, so Kraning. Eine Frucht davon sei die Änderung der Karfreitagsfürbitte für das Heil der Juden gewesen, in der es seit 1970 heißt, Gott möge sie "in der Treue zu seinem Bund und in der Liebe zu seinem Namen bewahren". Vorher wurde darum gebetet, die "treulosen Juden" mögen Christus erkennen und ihrer Finsternis entrissen werden. Wiederholt habe sich Johannes XXIII. mit dem alttestamentlichen Satz des Jakobs-Sohnes an seine Brüder "Ich bin Josef, euer Bruder" vorgestellt.

Ein anderes Grundanliegen Roncallis sei Barmherzigkeit statt Verurteilung gewesen, wurde bei der Festakademie deutlich, die sich auch in einer Arbeitsgruppe diesem Thema widmete. Jochen Garstecki, früher bei Pax Christi, betonte im anschließenden Podiumsgespräch, der Kirche sei es wegen des ihr anvertrauten Evangeliums besonders gut möglich, Barmherzigkeit zu praktizieren.

Willi Kraning mahnte, von Roncalli sei zu lernen, immer neu aufeinander zuzugehen und aufeinander zu hören. Nach Auffassung von Nikolaus Klein lag einer der großen dogmatischen Fortschritte des Konzils in der Einsicht, die Kirche entdeckt nur dann ihr Wesen umfassend, wenn sie sich von den anderen Menschen her zu entdecken beginnt. Klein: "Dies ist eine bleibende Aufgabe. Wir sind dabei auf die Hilfe der anderen Kirchen und Religionen angewiesen."



Forum

Ermutigende Entwicklungen und verpasste Chancen

Im Rahmen der Festakademie zu Johannes XXIII. diskutierten die Teilnehmer auch in drei Arbeitsgruppen und bei einem Zeitzeugengespräch zu den Themen "Wo stehen wir heute?", "Barmherzigkeit statt Verurteilung - ein Grundanliegen Johannes XXIII." sowie "Reform ja - aber wie?"

Dabei wurden die positiven Entwicklungen herausgestellt, die sich mit und in der Folge des Konzils ergeben haben wie zum Beispiel der Respekt gegenüber den anderen Religionen, die Akzeptanz der historisch-kritischen Bibelauslegung oder die Liturgiereform, wie etwa Katharina Doyé vom Roncalli-Haus sagte. Es wurden aber zum Beispiel auch versäumte Chancen in der Ökumene beklagt. Ökumenische Veranstaltungen in den Gemeinden dürften heute nicht mehr als Zusatzprogramm, sondern müssten als bewusster Ausdruck christlichen Lebens praktiziert werden, so Domkapitular emeritus Willi Kraning. Bislang seien kaum Vereinbarungen zwischen Gemeinden über regelmäßige gemeinsame Begegnungen und Gottesdienste im Sinne einer Charta Oecumenica getroffen worden.

Noch immer gebe es keine Regelung hinsichtlich der Sakramentenspendung bei konfessionsverbindenden Ehen. Bedauert wurde auch, dass Frauen nach wie vor keinen Zugang zur Diakonoder gar Priesterweihe haben. Mit der Krankenseelsorge Beauftragte dürften, sofern sie keine Priester sind, weder Krankensalbung noch Bußsakrament spenden.

Bischof em. Leo Nowak, Magdeburg, sagte in der Zeitzeugen-Diskussion, er sei im Blick auf die Anliegen des Konzils traurig darüber, dass es - "plakativ gesagt - heute viele Bedenken- statt Hoffnungsträger gebe". Man müsse aber auch die Sorgen derer, die sich stärker der Tradition verpflichtet sehen, ernst nehmen und sich mit ihnen auseinandersetzen.


Von Eckhard Pohl