Falsche Mönche an mystischem Ort
Wie ein Männerchor auf dem Berg Oybin für neues Leben sorgt
Oybin. Ein weltlicher Männerchor erinnert in Oybin an religiöse Vergangenheit - nicht nur aus touristischen Gründen.
Wenn Fackeln das jahrhundertealte Gemäuer erhellen und die tiefen Stimmen der Sänger erklingen, dann verwandelt sich die alte Klosterruine von Oybin in einen wahrhaft mystischen Ort. Wo einst Cölestiner einem Leben gemäß der frommen Mönchsregel " Ora et Labora" nachgingen, haucht heute ein Männerchor dem Klosterberg im Zittauer Gebirge neues Leben ein. Rund 30 Freizeitsänger schlüpfen regelmäßig in kirchliche Gewänder und geben als gottesfürchtige Ordensbrüder religiöse und weltliche Lieder zum besten.
"Wir nehmen an, dass schon die ersten Cölestinermönche singend hier auf dem Berg gezogen sind", sagt Günter Arndt. Der 61-Jährige zieht ein weißes Untergewand, die Tunika, an und stülpt ein schwarzes Obergewand, das Skapulier, darüber. Dabei fügt er hinzu, dass die Mönchszüge historisch gar nicht nachgewiesen seien, zumindest nicht im Mittelalter. Als sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts vielerorts Gesangsvereine gründeten, entstand auch im Zittauer Gebirge ein Männerchor, der 1851 erstmals einen Auftritt in Form eines Mönchszugs auf dem 514 Meter hohen Klosterberg absolvierte.
Die Sängervereinigungen zogen damals gelegentlich durch die Ruinen der Burg und des Klosters. Durch die Weltkriege geriet der singende Mönchszug auf dem Berg Oybin in Vergessenheit. Erst 1981 markierte einen Neubeginn. 1990 folgten die Vereinsgründung und ein "Sängercasting" bei den Männerchören im Umland. Mittlerweile finden die Konzerte in mystischem Ambiente regelmäßig an Sommerwochenenden statt.
Besiedelt wurde der Oybiner Berg im Mittelalter: 1366 erschienen die ersten Cölestiner Ordensbrüder auf dem Gipfel. Nur drei Jahre später begann der Bau des Bergklosters. In die gleiche Zeit fällt auch der Ausbau des Burgkomplexes zum Alterssitz von Kaiser Karl IV. "Die Gegend war damals waldreich, sehr ruhig und abgeschieden, also gut für asketische und demütige Lebensweise", erklärt Arndt. Genau richtig für den Sitz einer Kongregation, die sich noch striktere Regeln als die ohnehin schon strengen Benediktiner verordnet hatte.
Der Einsiedlermönch Petrus von Murrhone und spätere Papst Cölestin V. gründete den Orden in den Abruzzen: "Ordo Sancti Benedicti Coelestinensis" lautete damals der Name. Im Zuge der Reformation wurde das Oybiner Konvent schließlich aufgelöst: 1547 verließ der letzte Pater den Klosterberg. Doch erst ein Blitzschlag im Jahre 1577 machte aus dem einstigen Bergkloster eine Ruine. Im 19. Jahrhundert ging dann die gesamte Cölestinerbewegung auch in ihrem Stammland Italien in der Säkularisierungswelle unter.
Heute tragen die "falschen" Cölestiner aber noch die originalgetreuen schwarzen Skapuliere, also Schulterkleider mit weißem Kreuz und einem "S" als Zeichen des Heiligen Geistes "Sancto Spirito". Atheistische Chormitglieder haben mit der Ordenstracht und den überwiegend religiösen Liedern keine Probleme. "Älteres Liedgut ist im großen Maße ja immer kirchlich gebunden", sagt etwa Ekkehard Richter, der sich selbst als nicht gläubig bezeichnet. Der 65-jährige Sänger versteht seine Teilnahme an den Mönchszügen als die Weitergabe eines "Kulturguts".
Wolfgang Spantig pflichtet seinem Vereinskollegen bei. Dennoch sieht der 60-jährige Katholik seine regelmäßigen Auftritte als Mönch vor der Kulisse eines ehemaligen Klosters als eine Art Gottesdienst: "Manchmal kommt es mir vor, dass ich das zu Ehre Gottes mache." Ähnlich drückt es auch Uwe Heinrich aus. Viele Sänger, aber auch die Zuschauer sähen den historischen Mönchszug nur als touristische Attraktion. Dabei würden sie verkennen, dass "mehr dahinter" ist, meint Heinrich.
Die meisten der "falschen" Mönche sehen sich jedenfalls gern als Nachfolger der Klostererbauer, auch wenn inzwischen die "Touristikreklame" als eines der Ziele in die Satzung des gemeinnützigen Vereins verankert wurde. Eine Gemeinsamkeit erkennt Günter Arndt zwischen Hobbysängern und "echten" Ordensfratres aber dann doch. Es sei schwierig, Nachwuchs zu finden, sagt Arndt und schmunzelt
Von Markus Nowak