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Ein-Sicht für junge Häftlinge

Nach seiner Bekehrung arbeitet ein ehemaliger Krimineller ehrenamtlich im Jugendgefängnis

Altenburg. Zwanzig Jahre lang war Torsten Hartung selbst im Gefängnis. Heute hilft er jugendlichen Häftlingen, zu einem neuen Leben zu finden. Die Triebkraft für seine ehrenamtliche Arbeit liegt in seinem Glauben.

Claudia und Torsten Hartung.

Seit einem halben Jahr verbringt Torsten Hartung drei Nachmittage in der Woche als "Praktikant für pastorale Gefängnisarbeit" in Sachsens einziger Jugendhaftanstalt in Regis-Breitingen. Im Büro der Gefängnisseelsorge ist er so gut wie nie anzutreffen. Er zieht stattdessen das unmittelbare Zusammentreffen mit den 17- bis 21-Jährigen vor. Es fällt ihm nicht schwer, auf sie zuzugehen. Die coolen Masken, hinter denen sie sich anfangs oft verstecken, sind ihm ebenso vertraut wie die Hölle, durch die fast jeder von ihnen in seinem bisherigen Leben gegangen ist. Dass da jemand ist, der die eigene Sprache versteht und die ungeschriebenen Gesetze und Hackordnungen des Knastes kennt, hilft den jungen Männern sich zu öffnen. Für diejenigen, die sich - wie auch in anderen Gefängnissen üblich - nur wegen einer Briefmarke oder ein paar Zigaretten auf ein Gespräch mit einem Seelsorger einlassen wollen, ist Torsten Hartungs Zeit zu knapp. Er bleibt bei denen, die bereit sind, ihr eigenes Leben in den Blick zu nehmen.

Schmerzvolle Blicke auf die eigene Opfer- und Täterrolle


30 Jugendliche kommen regelmäßig zu den Treffen der Gruppe "Ein-Sicht", die er gegründet hat. Immer wieder nimmt der 48-Jährige sich auch Zeit für Einzelgespräche. Anfangs erzählen die Gefangenen ihm dabei zumeist ihre Lebensgeschichte. So unterschiedlich diese Geschichten auch sind, erzählt der ehrenamtliche Seelsorger, allen gemeinsam ist, dass die Straffälligen zunächst Opfer waren, bevor sie zu Tätern wurden. Er ermutigt sie, sich ihr Opfer-Sein und ihr Täter-Sein genau anzuschauen.

"Das ist äußerst mühselig und schmerzlich", weiß Torsten Hartung aus eigener Erfahrung, "aber es ist der einzige Weg für die Jugendlichen, um ihre seelischen Verwundungen zur Heilung zu führen. "Eine geheilte Wunde könne zum "Quell lebendigen Wassers für andere Menschen" werden, ist er überzeugt. Er selbst hat, als er in der Einsamkeit langjähriger Einzelhaft auf sich, auf seine eigenen seelischen Verletzungen und seine Schuld geworfen war, zu Gott gefunden. Sein Leben wandelte sich allmählich vollständig und schließlich ließ er sich taufen. Mit dieser Geschichte hält er im Jugendknast von Regis-Breitingen keinesfalls hinterm Berg.

Wenn er merkt, dass jemand offen ist für Religiöses, dann versucht er, sein Leben mit ihm aus dem Glauben heraus zu deuten. Patrick zum Beispiel, der drei Jahre verbüßen muss. Er hatte versucht, einen bewaffneten Mann außer Gefecht zu setzen, der zur Gefahr für seine Freundin zu werden drohte. "Der Teufel war schlauer als du, und du hast dich von ihm benutzen lassen", hat Torsten Hartung unter anderem zu Patrick gesagt. Gemeinsam mit seinen beiden Zellengenossen hat der junge Mann begonnen, regelmäßig zu beten. Dabei wusste anfangs keiner von den dreien, wie das überhaupt geht.

"Warum tust du das für uns? Du bekommst doch keinen Cent dafür?", wird der Pastoral-Praktikant hin und wieder gefragt. "Ich bin Egoist", anwortet er dann und erklärt den erstaunten Jugendlichen: "Jedesmal, wenn ich hier bin, fühle ich mich beschenkt - durch euer Vertrauen, eure Zuwendung, eure Lebensgeschichten, die ihr mir erzählt. Ich darf hier Wunder sehen." Eines dieser Wunder ist für ihn der Glanz in den Augen mancher Jugendlicher, wenn er sie auf das Gute verweist, das in ihnen steckt und sie dazu ermutigt, es zu entfalten und dafür einzusetzen, dass die Welt ein Stück besser wird.

Gebetspaten für inhaftierte Jugendliche


Eine Sorge ist für Torsten Hartung, dass er mit den 30 Jugendlichen, die er betreut, bereits an den Grenzen seiner Kapazität angelangt ist. Sein Traum ist es, geeignete Häftlinge zu befähigen, selbst eines Tages die Arbeit fortzuführen, die er gerade mit ihnen tut. Ihm schwebt vor, zu diesem Zweck einen Bauernhof zu betreiben, in dem haftentlassene Jugendliche in einer Glaubens- und Lebensgemeinschaft auf diesen Dienst vorbereitet werden.

Mit anderen christlichen Freunden, die dieses Anliegen unterstützen möchten, hat er zu diesem Zweck den Verein "Maria-hilf-t" gegründet. Darüber hinaus hat er gemeinsam mit seiner koreanischen Frau Claudia seine weltweiten Kontakte mobilisiert, um ein Netz des Gebetes für die Jugendlichen von Regis-Breitingen zu knüpfen. Häftlinge, die das wollten, haben nun einen Paten, der ganz persönlich für ihn betet. Manchen von ihnen hat das schwer beeindruckt.

Zu den Betern gehören auch die Zisterzienserinnen von St. Marienstern und die Schwestern eines Klausurordens in Marseille, die sich das "Gebet für die Bekehrung der Sünder" vor vielen Jahren zur Lebensaufgabe gemacht haben. Torsten Hartung, der davon erfahren hatte, ist nach seiner Haftentlassung eines Tages nach Marseille gefahren und hat bei den Schwestern geklingelt, um ihnen zu sagen, dass ihr Gebet Früchte getragen hat.

Der Verein kann weitere Mitglieder und Förderer brauchen. Kontakt unter E-Mail mariahilft@t-online.de


Von Dorothee Wanzek

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