Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!

Anstoß

Da wohnt ein Sehnen tief in uns

Angela Degenhardt

"Alles beginnt mit der Sehnsucht." So schrieb einmal die jüdische Dichterin Nelly Sachs.

Sehnsucht ist etwas schwer Fassbares und zugleich sehr Reales. Ein Lexikon beschreibt die Sehnsucht als "ein inniges Verlangen nach einer Person oder Sache, die man liebt oder begehrt. Sie ist mit dem schmerzhaften Gefühl verbunden, den Gegenstand der Sehnsucht nicht erreichen zu können." Manchen treibt sie in die Ferne; andere plagt das Heimweh. Menschen sehnen sich nach Geborgenheit, Anerkennung oder nach dem Du, dass sie ganz erfüllt. Es gibt vieles, worauf die menschliche Sehnsüchte zielen.

Interessant sind die Anklänge, die andere Sprachen ins Spiel bringen: nostalgie (franz.) und nostalgia (ital.) weisen in unserem Sprachverständnis auf etwas Vergangenes und den Versuch, davon etwas zu bewahren oder gar zurückholen zu wollen. Das englische longing enthält long = lang, weit. Da klingt, dass das schwer zu Erreichende mit. Es braucht Geduld und das eigene Sich-Ausstrecken danach.

Auch wenn man mit dem deutschen Wort Sehnsucht spielt, finden sich Assoziationen: Sich sehnen, etwas seh(e)n wollen, er/sie sucht, die Sucht, das Sehnen, die Sehnen (?) - so die Liste, die eine Kindergruppe zusammentrug. Ob sprachwissenschaftlich auch die Sehnen über die Klang- und Buchstabengleichheit hinaus, etwas mit dem Sehnen zu tun haben, konnten wir nicht klären. Unsere Suche galt der Frage, ob wir, um Gott zu finden, die Sehnsucht brauchen? Wenn alles irgendwie mit der Sehnsucht beginnt, dann auch die Suche nach Gott ... Möglicherweise wissen wir manchmal nicht, dass das tiefste Ziel unserer Sehn-Suche Gott ist?

So haben wir auch mit den Sehnen weitergedacht: Im Körper halten sie Knochen und Muskeln zusammen, ohne sie geht buchstäblich nichts, ist keine Körperspannung da, keine Bewegung möglich. Vielleicht ein Bild für den Sinn der Sehnsucht nach Gott: sie hält uns in Bewegung auf ihn hin, lässt uns fragen und suchen.

Der Psalmist hebt die Sehnsucht nach Gott immer wieder ins Wort: Meine Seele verzehrt sich in Sehnsucht nach dem Tempel des Herrn (Ps 84,3). Oder an anderer Stelle die Frage: Wann darf ich kommen und Gottes Angesicht schauen? (Ps 42,3) Der ganze Psalm 42 spricht in lebendigen, tiefen Bildern von der Sehnsucht des Menschen nach Gott.

Gott sehnt sich aber auch nach uns ... und kommt unserem Suchen zuvor, will gefunden werden und lässt sich finden, kommt uns entgegen. "Vielleicht aber braucht Gott die Sehnsucht" (Nelly Sachs) - als Weg zu uns.aft Jesu in Berührung zu bringen.

Angela Degenhardt, Gemeindereferentin in Sangerhausen

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps