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Religion hat ein anderes Wissen

Über die unterschiedliche Erkenntnis in Naturwissenschaft und Glauben

Dresden. Zu einer vierteiligen Vortragsreihe anlässlich des 200. Geburtstages von Charles Darwin hatte dieser Tage das Dresdner Kathedralforum eingeladen. Zuletzt sprach der Jesuit Stefan Bauberger aus München zum Thema "Was glaubt die Wissenschaft - und was weiß die Religion?"
Rationalität in der Religion - dafür plädiert Stefan Bauberger unbedingt. Religion sollte die Naturwissenschaft jedoch nicht nachahmen. Sich selbst bezeichnet der 48-jährige Münchener als Grenzgänger. Er ist Jesuit, Theologe, Philosoph, jedoch auch Physiker und Experte für Buddhismus. Seine Arbeit sieht er als Beispiel dafür, dass man sehr gut beides kann: begeisterter Naturwissenschaftler sein, aber auch ein religiöser Mensch.

Letztlich hat seiner Ansicht nach auch die Naturwissenschaft ihre Grenzen, wie er jetzt in einem Vortrag im Kathedralforum in Dresden dargelegt hat. Sie strebe nach objektiver Erkenntnis der Wirklichkeit. Doch wenn wir zum Beispiel die Schönheit einer Landschaft wahrnehmen, sei diese Empfi ndung nicht objektivierbar. Aber gleichwohl ein realer Zugang zur Wirklichkeit. "Die Religion weiß darum, dass die Wirklichkeit viel reicher ist", meint er.

Naturwissenschaft habe allgemeines, logisch begründbares Wissen zum Ziel. Religion hingegen habe den Wert des einzelnen Menschen im Blick. Und sie nimmt ihren Ausgang von Gründergestalten. Ihre Grundlage bilden Texte, liturgische zum Beispiel, Lebensbeschreibungen, auch Bilder. "Ein Gefl echt, das nicht auf der Logos-Ebene funktioniert, sondern der Interpretation durch Menschen bedarf." Und die sei vielfältig.

Die Systematik, die Naturwissenschaft braucht, lässt sich nach seiner Auffassung für die Religion nicht schaffen. Die Scholastik hatte einst eine solchen Versuch zur Formalisierung unternommen. "Das hat sich aber totgelaufen." Naturwissenschaft belegt ihre Erkenntnisse mit gesicherten Fakten, mit Messergebnissen oder anderen Dokumentationen. Religion hingegen beruht auf Zeugnissen. "Wenn Menschen ihren Glauben bezeugen, ist das kein messbarer Fakt."

Den Versuch der Naturwissenschaft, Verzerrungen in der Darstellung der Wirklichkeit zu verhindern, indem man das Subjekt aus dem Erkennen eliminiert, hält er für einen Weg, der letztlich nicht durchzuhalten ist. "In der Quantentheorie zum Beispiel funktioniert das nicht. Dort gibt es keine Wirklichkeit vor und unabhängig von der Beobachtung durch den Menschen." Daher kommt Stefan Bauberger zu der Erkenntnis: "Wir als Beobachter sind immer selbst mit drin in der Wirklichkeit, die wir beobachten." Beides voneinander zu trennen, sei etwas Künstliches.

Daher lautet sein Fazit: Die Religion solle sich nicht am Objektivitäts- Ideal der Naturwissenschaft zu orientieren versuchen. Erkenntnis sei nicht vom Menschen zu abstrahieren. "Dieses Heraushalten des Erkennenden aus der naturwissenschaftlichen Betrachtung der Welt ist letztlich auch eine Art Willkür." Für ihn gibt es auch eine Art Wissen, etwa darüber, ob ein anderer einen liebt, die aber nicht objektivierbar oder per Messung nachweisbar ist. "Und dennoch kann man auch da von Wissen über die Welt sprechen."

Von Tomas Gärtner

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