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Klimaschutz ist ganz einfach, aber ...

Welche Klimapolitik brauchen wir? Felix Ekardt gibt beim Deichtag in Mühlberg Antworten

Mühlberg / Elbe (mh). Zum Programm des Deichtages in Mühlberg (siehe oben) gehört ein fachlicher Vortrag. Diesmal sprach Felix Ekardt über "Sind wir noch zu retten? Was für eine Klimapolitik wir brauchen."

"Klimaschutz ist ganz einfach: Weniger fl iegen, weniger Auto fahren, weniger Fleisch essen und weniger oder mit alternativen Energieträgern heizen", sagt Felix Ekardt. Der Jurist und Soziologe, der an der Universität Rostock die Forschungsgruppe "Nachhaltigkeit und Klimapolitik" leitet, ist überzeugt: "Wir haben in dieser Frage kaum ein Wissensproblem." Warum also werden die Menschen nicht aktiv? "Das Klimaproblem zu lösen, ist wahnsinnig unbequem." Die Menschen haben keine Lust, ihr Leben drastisch zu verändern. Deshalb hält Ekardt einen "Wandel von selbst" für unwahrscheinlich. Er verweist auf das Beispiel Carsharing, die Möglichkeit, ein Auto mit anderen zu nutzen: Das wird kaum angenommen, "weil jeder lieber ein eigenes hippes Auto fahren will".

Die Veränderungen, die notwendig sind, um eine weitere Erderwärmung zu verhindern, sind gewaltig: "Wir müssen weitgehend aus der Nutzung fossiler Energieträger aussteigen. Bis 2050 muss der Ausstoß von Treibhausgasen um 80 Prozent reduziert werden." Selbst dann käme es noch zu einer Erwärmung der Erde um zwei bis 2,4 Grad, "was für viele Menschen schon fatale und tödliche Folgen hätte". Übrigens: Denjenigen, die meinen, es gäbe keinen Klimawandel, zumindest keinen von Menschen verursachten, hält Ekardt entgegen: "Die meisten Maßnahmen, die wir ergreifen müssen, sind trotzdem sinnvoll."

Ein Thema der Weltpolitik ist der Klimawandel seit Anfang der 1990er Jahre. Allerdings hält Ekardt die globale Klimapolitik für "bisher weitgehend gescheitert". Sei 1990 ist der Ausstoß von Treibhausgasen um 40 Prozent gestiegen. Vereinbart war im so genannten Kyoto- Protokoll bis 2012 eine Senkung um 5,2 Prozent. Auch national fällt für ihn die Bilanz nicht so positiv aus, wie von der Bundesregierung immer dargestellt: Zwar wurden hier die Emissionen seit 1990 um 25 Prozent gesenkt, aber 13 Prozent davon entfallen auf die Stilllegung der Braunkohlekraftwerke in der ehemaligen DDR nach der deutschen Einheit, fünf Prozent auf die Finanzkrise und etwa sechs Prozent darauf, dass bestimmte Artikel nicht mehr in Deutschland produziert, sondern importiert werden.

Ekardt hält ein Kyoto-Nachfolgeprotokoll mit anspruchsvollen Zielen bis 2050, deutlichen Sanktionen und der Berücksichtigung der Schwellenländern (wie China und Indien) für notwendig, glaubt aber nicht daran. Ebensowenig erwartet er von einer "grünen Wachstumspolitik": Zwar stelle die Industrie inzwischen Fünf- statt Acht-Liter- Autos her. Dafür werden aber mehr Autos verkauft, so dass der Schadstoffausstoß unterm Strich gleich bleibe oder gar steigt.

Einen Ausweg sieht Ekardt in einer Abkehr von der Wachstumsidee. "Die Welt ist physikalisch endlich, deshalb ist immer mehr Wachstum einfach nicht möglich." Die bis 2050 notwendige Absenkung des Treibhausgas-Ausstoßes auf 0,8 Tonnen pro Einwohner und Jahr (in Deutschland sind es zurzeit etwa zehn Tonnen pro Einwohner und Jahr) sei nur mit weltweiten politischen Vorgaben und völkerrechtlich geregelten Sanktionen möglich. Darüber wachen müsste ein weltweites Gremium vergleichbar dem Weltsicherheitsrat. Die Veränderungen im Alltag des Einzelnen kämen dann über Preisanreize, sagt Ekardt.

Ob ein solcher Wandel gelingen kann, ist für Ekardt selbst fraglich: Gibt es einen Kapitalismus ohne Wachstum? Ist eine solche Veränderung demokratisch möglich? Für ihn läge aber auch eine Chance darin: Aus der Glücksforschung sei bekannt, dass Glück nichts mit Reichtum zu tun habe. "Die Klimadebatte ist die Chance, danach zu fragen, was wir Menschen wollen: das nächste schicke Auto oder ...?"

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