Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!

Für eine Kultur des Helfens

Wie das Chemnitzer Freiwilligenzentrum das Leben in der Stadt mitgestaltet

Chemnitz (dw). Am neuen, zentral gelegenen Standort hat das Freiwilligenzentrum Chemnitz in den vergangenen Monaten mehr Aufmerksamkeit errreicht als zuvor - bei Bürgern, die sich ehrenamtlich engagieren wollen ebenso wie bei Initiativen und Vereinen, die Helfer suchen.

Veronika Förster berät Menschen, die sich freiwillig engagieren möchten und Einrichtungen, die Ehrenamtliche suchen.

Nebenan sind neuste Hutkollektionen zu bewundern, das Schaufenster der Reitbahnstraße 23 lockt dagegen mit Beschäftigungsangeboten: "Hier werden Sie gebraucht", ist auf einer Tafel zu lesen. An der belebten Straße im Chemnitzer Stadtzentrum hat seit Frühjahr das Caritas-Freiwilligenzentrum seinen Sitz.

Veronika Förster und ihre Mitarbeiterinnen können Ehrenamtlichen rund 200 mögliche Einsatzstellen anbieten. Das Freiwilligenzentrum, das 1997 als erstes in Sachsen als Modellprojekt des Deutschen Caritasverbandes gegründet worden war, vermittelt im Jahr bisher etwa 150 bis 200 Menschen in unentgeltliche Beschäftigungen. "Wir haben immer mehr freie Stellen als Arbeitskräfte", erzählt die Koordinatorin des Freiwilligenzentrums. Die Gründe dafür sind vielfältig: Keinesfalls selten scheitert der geplante Einsatz schlicht an den Fahrtkosten zum Dienstort: Erwerbslose potenzielle Helfer können sie sich nicht leisten, und auch Vereine und Einrichtungen haben dafür oftmals kein Budget.

Nach ihrer Motivation gefragt, sich freiwillig zu engagieren, nennen viele die Suche nach Lebenssinn, Anerkennung und sozialen Kontakten. Veronika Förster schlägt den Bewerbern Einsatzfelder vor, die ihren Interessen und Fähigkeiten entgegenkommen. Die meisten Freiwilligen vermittelt sie an Seniorenheime. Kontakt zu älteren Menschen aufbauen, ihnen vorlesen oder mit ihnen spazieren gehen, das trauen sich viele zu, vor allem Frauen im Alter zwischen 40 und 60. Männer vermittelt sie häufig in Tätigkeiten, bei denen handwerkliches Geschick und Körperkraft gefragt sind: spontane Einsätze bei Stadtteilfesten, Reparaturdienste im Industriemuseum, den Tschernobyl- Hilfstransport einer Gemeinde ... Immer wieder lassen sich Freiwillige auch für Tätigkeiten ansprechen, bei denen sie zunächst ein Auswahlverfahren und eine Ausbildung durchlaufen müssen: die Mitarbeit bei der Telefon- oder bei der Notfallseelsorge etwa. Im Angebot sind auch Aufgaben, die manchen zunächst überraschen, die Betreuung einer Kletterwand zum Beispiel, der Aufbau eines Projektes "Familienpaten", ein Einsatz als Fußball-Schiedsrichter oder die Begleitung von Kriminalitätsopfern.

Institutionen, die Helfer suchen, können im Freiwilligenzentrum nicht nur ihre Kontaktdaten hinterlassen. Auch sie werden eingehend beraten, wenn sie das wünschen. Zum Beispiel bekommen sie die Empfehlung, die Stellenangebote ansprechend und deutlich zu formulieren. Interessierte müssten klar erkennen können, was von ihnen erwartet wird. Die Aufgaben sollten so ausgewählt werden, dass unentgeltliche Helfer wirklich Freude daran haben können. Die Suche nach einer "ehrenamtlichen Putzhilfe" etwa hätte geringe Erfolgsaussichten. Wichtig sei es, die Helfer in die Institution zu integrieren, sie zum Beispiel den angestellten Mitarbeitern vorzustellen, ihnen Ansprechpartner zur Seite zu stellen, die sie bei Fragen und Nöten erreichen können und Weiterbildungsmöglichkeiten zu schaffen. Auch Ehrenamtliche bräuchten Anerkennung, die man ihnen zum Beispiel durch die Einladung zu schön gestalteten Zusammenkünften zukommen lassen kann. In Chemnitz gibt es einen stadtweit wirkenden Arbeitskreis Pro Ehrenamt, in dem sich verschiedene Vereine und Einrichtungen gemeinsam für eine verbesserte "Kultur der Anerkennung" im Ehrenamt einsetzen. Unter anderem wurde eine Danke-Card entwickelt, die Ehrenamtlichen ermäßigten Eintritt bei kulturellen Veranstaltungen und manch andere Vergünstigung beschert. Einmal im Jahr bietet die Freiwilligenagentur eine dreitägige Weiterbildung in der "Freiwilligenkoordination" an, in der das nötige Rüstzeug für eine gelingende Einbeziehung Ehrenamtlicher vermittelt wird.

Christliche Gemeinden nehmen die Dienste der Agentur vorwiegend bei Projekten wie Hilfstransporten in Anspruch, erzählt Veronika Förster. Ansonsten würden die Helfer in der Regel in den eigenen Reihen gesucht, weiß sie aus der Erfahrung in der eigenen, katholischen, aber auch in der evangelischen Kirche. Die Gemeinden könnten von den Erfahrungen der Freiwilligenagentur durchaus profitieren, glaubt sie. Häufig gelinge es kaum, neue Mitarbeiter hinzuzugewinnen. Stattdessen greife man auch für neue Aufgaben immer wieder auf die gleichen, bewährten Helfer zurück. Selbst regelmäßige Gottesdienstbesucher wüssten oftmals gar nicht, was es in ihrer Gemeinde alles zu tun gebe. In einer katholischen Gemeinde in Chemnitz haben sich kürzlich nach dem Gottesdienst einmal alle Gruppen, die mit ehrenamtlichem Einsatz aktiv sind, mit Informationsständen vorgestellt. Für sinnvoll erachtet es Veronika Förster, Gemeindemitglieder in Tätigkeitsbereiche einzubeziehen, die sie gerade bewegen und ihr Lebensumfeld betreffen. So könnten junge Eltern motiviert sein, an der Gestaltung von Kindergottesdiensten mitzuwirken. Auch in den Gemeinden sei es hilfreich, Aufgaben genau zu definieren. Jüngere, beruflich eingespannte Menschen ließen sich eher für eine überschaubare Aufgabe gewinnen als für die lebenslange Mitgliedschaft in einem Caritas-Kreis ohne erkennbares Aufgabenprofil.

www.aktiv-in-chemnitz.de

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps