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Zukunft weiter ungewiss

Halle: Möbelbörse CariWohn darf kein Geld verlangen, was die Finanzierung schwierig macht

Halle. Für eineinhalb Monate konnte die Möbelbörse der Caritas in Halle nur mit ehrenamtlicher Hilfe überleben. Jetzt läuft der Betrieb wieder. Die Zukunft hängt aber weiterhin am seidenen Faden.

Wilfried Jenkel leitet die konkrete Arbeit in der Möbelbörse CariWohn in Halle-Silberhöhe. Foto: Kilian Trotier

Angst? Natürlich habe er Angst, sagt Wilfried Jenkel. Angst, dass die Möbelbörse endgültig zugemacht werden muss. Jenkel steht inmitten von Lampenschirmen, Buchenholzschränken und Sesseln. Zur kurzen Hose trägt er Hemd und Turnschuhe, Arbeitskleidung. Die sechshundert Quadratmeter CariWohn im spröden Plattenbauviertel Silberhöhe sind sein Reich, er kennt die Anlieferungen, weiß, für wen welches Sofa abtransportiert wird. Was er nicht weiß ist, wie lange er noch als einziger fester Mitarbeiter in der Möbelbörse arbeiten wird, wie lange die Caritas die Einrichtung halten kann.

Feste Kosten, aber kaum Einnahmen

Es ist eine einfache mathematische Rechnung, die die CariWohn vor nahezu unlösbare Probleme stellt: Die fixen Betriebskosten für die Möbelbörse betragen im Monat rund 6000 Euro, für Personal, Miete, Strom, Auto. Auf der anderen Seite gibt es nur minimale Einnahmen. Denn die Caritas darf seit Anfang des Jahres kein Geld mehr für die Möbel verlangen, die sie an alle Bedürftigen, die Empfänger der Arge Halle (ein Zusammenschluss der Agentur für Arbeit und der Stadt Halle) sind, weitergibt. Einen Zuschuss gibt es nur für die Fahrten, bei denen die Möbel in die Wohnungen der neuen Besitzer gebracht werden. "Die Situation ist schwierig", sagt die Bereichsleiterin für soziale Dienste der Caritas, Mirjam Heeger. "Wir versuchen alles, die Möbelbörse aufrechtzuerhalten, aber wir wissen nicht, ob wir es schaffen."

Im vergangenen Jahr sah alles noch ganz anders aus. Die Caritas durfte für jedes Möbelstück, das sie auslieferte, einen kleinen Betrag nehmen, obwohl sie neben Wilfried Jenkel fünfzehn von der Arge vermittelte Ein-Euro-Jobber beschäftigte. Die Betriebskosten waren gedeckt und das System funktionierte, wie es einstweilen jetzt wieder läuft: Immer wenn jemand aus Halle anruft und sagt, er habe Möbel, die er gerne zur Verfügung stellen möchte, schickt Jenkel ein paar seiner Leute los, um sie abzuholen. Sie tragen sie in die beiden großen Räume der CariWohn auf der Silberhöhe und wenn sie einem der Bedürftigen gefallen, fahren sie die Sofas und Sessel, die Küchenzeilen und Spiegel zu ihrem neuen Besitzer, der dafür im vergangenen Jahr manchmal zehn, manchmal zwanzig Euro bezahlte.

Das Prinzip ist heute das gleiche. Nur, dass die Einnahmen von den Möbeln fehlen. Wahrscheinlich hebelte eine Beschwerde eines der Mitglieder der Industrie- und Handelskammer das Konzept aus dem Gleichgewicht. Das Argument lautete, dass die Wettbewerbsneutralität nicht gewahrt sei, wenn die Caritas die Möbel verkauft und nicht verschenkt. Sie gefährde damit Arbeitsplätze in der Möbelbranche.

Von Mai bis Mitte Juni lief die Möbelbörse in der Folge auf Sparflamme. Die Caritas konnte den Betrieb nur mit ehrenamtlicher Hilfe aufrechterhalten. Jetzt bekommen Jenkel und die Ein-Euro- Jobber wieder ihr Geld, aber eine dauerhafte Lösung ist noch nicht in Sicht. Im Land Sachsen-Anhalt gibt es keine klare Regelung, ob gemeinnützige Möbelbörsen einen geringen Obolus nehmen dürfen. Was in fast allen Städten Deutschlands eine Selbstverständlichkeit ist, ist in Halle nicht erlaubt.

Klare Regelung für Möbelbörsen notwendig

Torsten Bognitz, Geschäftsführer der Caritas in Halle, steht in ständigem Kontakt mit der Arge. Große Hoffnungen, dass er die Verantwortlichen von der Notwendigkeit der geringfügigen Einnahmen überzeugen kann, hat er aber nicht. Das Problem ist, dass die Caritas die Arge und die von ihr vermittelten Ein-Euro-Jobber benötigt. Denn nur mit hauptamtlich angestellten Mitarbeitern wäre die Möbelbörse nicht zu finanzieren.

Dennoch sei der einzig mögliche Weg, CariWohn längerfristig zu sichern, die Unabhängigkeit von der Arge, sagt Bereichsleiterin Mirjam Heeger. Seit Monaten spielt sie die Möglichkeiten durch, will sich für bundes- oder europaweite Förderprogramme bewerben. Eine Idee ist, mit straffällig gewordenen Menschen zusammenzuarbeiten, die ihre Arbeitsstunden bei der Caritas leisten könnten. Eine andere, die Arbeit mit Behinderten fortzusetzen, wie es schon die Diakonie in Halle macht. Alle Optionen bergen aber auch Risiken, vor allem finanzieller Art.

Jenkel weiß um die Unabwägbarkeiten, sagt, es sei besser, dass er keine Ahnung von Finanzen hat. Jeden Morgen kommt er um sieben Uhr, auch wenn die Möbelbörse erst um neun Uhr öffnet. Meist ist er der letzte, der geht. Die Hoffnung auf Sicherheit hat er nicht aufgegeben. Auch die eineinhalb Monate ehrenamtliche Arbeit haben ihm nichts ausgemacht. "Jedem gibt das hier Halt", sagt er. Einen Halt, der am seidenen Faden hängt.

Von Kilian Trotier

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