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Stoff, der den Glauben stärkt

Die katholische Mariengemeinde schreibt die Tradition der Zittauer Fastentücher fort

Zittau. Als "Stadt der Fastentücher" wirbt Zittau seit Jahren um Touristen. Seit vergangenem Sonntag gibt es hier eine weitere Attraktion: eine originalgetreue Kopie des Turiner Grabtuchs. Anders als die Tücher aus dem 15. und 16. Jahrhundert ist sie kein Museumsstück.

Professor Giuseppe Ghiberti stellte in der dicht gefüllten Zittauer Marienkirche die Bedeutung des Turiner Grabtuchs heraus. Da es mit seinen Ausmaßen von 4,42 mal 1,13 Metern zu klein wäre, den Hochaltar komplett zu verhüllen, wurde es mit einer Leinwand eingefasst, auf der passende Bibelstellen auf Deutsch, Polnisch und Tschechisch zu lesen sind.

Die Kopie des Tuches, das der Überlieferung zufolge den Leichnam Jesu umhüllt haben soll, erfüllt in der katholischen Marienkirche die Funktion, die Fastentücher bereits seit über tausend Jahren innehaben: Es verbirgt während der österlichen Bußzeit den Hochaltar.

Ein eindrücklicher Vortrag der Restauratorin Mechthild Flury- Lemberg über das Turiner Grabtuch im Herbst vergangenen Jahres hatte bei Pfarrer Michael Dittrich und anderen Zittauer Gemeindemitgliedern den Wunsch geweckt, mit einer Kopie dieses Tuchs die ursprüngliche Bedeutung und Funktion der Fastentücher wieder lebendig und erlebbar werden zu lassen.

Dass ihnen die gewünschte Kopie zur Verfügung gestellt wurde, ist für die Zittauer Gemeinde eine Ehre. Insgesamt gibt es nur drei Kopien des berühmten Grabtuchs. Die erste wird in Turin selbst gezeigt, da das Original des Grabtuches nur sehr selten besichtigt werden darf. Eine zweite Kopie besitzt das Benediktinerstift im österreichischen Göttweig. Die dritte Anfertigung hat nun Zittau bekommen, zum Preis von 1200 Euro, finanziell unterstützt durch das Bonifatiuswerk und Katholiken der Stadt.

Professor Giuseppe Ghiberti, der in Turin die Verantwortung für das Tuch trägt, segnete die Zittauer Kopie und äußerte sich anschließend zur Bedeutung des Grabtuchs. Das Turiner Grabtuch ist ein seit Mitte des 14. Jahrhunderts bekanntes Leinentuch, das Blutspuren und den Abdruck der Vorder- und Rückseite eines Menschen zeigt. Die Spuren deuten darauf hin, dass ein Mann in dem Tuch gelegen hat, der zuvor genau den Folterungen unterzogen wurde, die den biblischen Erzählungen zufolge Jesus von Nazareth erlitten hat. Bis heute können Wissenschaftler allerdings noch keine eindeutigen Aussagen zum Alter des Tuchs machen. Möglicherweise werde es der Wissenschaft niemals gelingen, zweifelsfrei festzustellen, wessen Leichnam seine Abdrücke an dem Tuch hinterlassen hat, stellte Giuseppe Ghiberti in Betracht. Gewissheit in dieser Frage würde ihn zwar brennend interessieren, letztlich sei dies für ihn als gläubigen Christen aber unerheblich, machte der Professor deutlich: "Sollte das Tuch Jesu Leichnam bedeckt haben, wäre es doch nicht Jesus in Person. Sollte ein anderer Mensch darin gelegen haben, wäre es dennoch ein unerklärliches Zeichen der Schmerzen Jesu am Kreuz. Ich sehe dieses Tuch als Geschenk, das uns gegeben ist, damit wir noch mehr an Gott glauben, und nicht etwa, damit wir an das Tuch glauben".

Die Segensfeier am Grabtuch war der Abschluss einer Drei-Tücher- Fahrt, zu der die Gemeinde am vergangenen Sonntag eingeladen hatte, um die Verbindung zum Großen und Kleinen Zittauer Fastentuch herzustellen.

Volker Dudeck, der ehemalige Direktor der Städtischen Museen Zittau, berichtete zum Auftakt von der Faszination, denen viele Besucher des Großen Fastentuchs erliegen. "Egal, wo sie weltanschaulich stehen, ich beobachte bei meinen Führungen häufig, dass sie in Anbetracht der uralten Geschichten, die hier erzählt werden, Ehrfurcht, Andacht, Staunen überkommt."

Die Kopie des Turiner Grabtuchs ist nur in der Fastenzeit zu sehen. Die Marienkirche ist täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet. Unmittelbarer Zugang zum Tuch samstags 15 bis 17 Uhr, am 8. und 22. März 14 bis 15.30 Uhr.

Von Dorothee Wanzek

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