Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!

Keine leichte Entscheidung

Schwestern vom Guten Hirten beenden Tätigkeit im Frauenhaus / Gemeinschaft bleibt in Erfurt

Erfurt. Fast 20 Jahre engagierten sich die Schwestern vom Guten Hirten in Erfurt in der von ihnen geleiteten Frauenschutzwohnung. Diesen Dienst beendet die Gemeinschaft aus Altersgründen am 31. Dezember diesen Jahres.

Die vier Schwestern vom Guten Hirten in ihrer Erfurter Wohnung

Es passiert schon mal, dass die Schwestern vom Guten Hirten in der Stadt plötzlich von jungen Frauen umarmt werden. Frauen, die im Frauenhaus Hilfe und Unterstützung fanden. Seit 1991 leben Schwestern der Kongregation vom Guten Hirten in Erfurt. "Gleich nach der Wende haben wir uns die Frage gestellt, ob wir nicht in der ehemaligen DDR eine Niederlassung gründen wollen", berichtet Schwester Benedikta, die von Anfang an in Erfurt aktiv ist und 2004 für ihr soziales Engagement rund um den Aufbau des Frauenhauses mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. Für Erfurt entschieden sich die Schwestern, weil die Nähe zur Provinzleitung in Würzburg gegeben ist. Der positive Nebeneffekt war und ist, dass die Schwestern in Erfurt gar nicht so sehr spüren, in der Diaspora zu sein. "Von Anfang an waren wir Teil der Gemeinde rund um den Domberg", freut sich Schwester Irmgard. Und das wird so bleiben, da die Schwestern weiterhin in Erfurt leben.

Allerdings ist der Rückzug aus dem Frauenhaus keine leichte Entscheidung gewesen und die vier Schwestern hoffen, es möge irgendwie weitergehen. "Das es anders sein wird, das ist uns klar. Jeder Träger setzt seine Akzente. Aber die Frauen hier brauchen dieses Haus, der Bedarf ist da", so Schwester Martina. Zudem wollen die Ordensfrauen auch nach dem 31. Dezember bewusst Ansprechpartnerinnen für die Frauen sein, die sie bisher begleitet haben.

In ihrer Arbeit machten die Schwestern die Erfahrung, dass es Frauen aller Alters- und Bildungschichten sind, die bei ihnen Zuflucht vor erfahrener Gewalt suchen. Nach der Wende waren es besonders Frauen mit mehreren Kindern, deren Familien in folge der plötzlichen Arbeits- und Perspektivlosigkeit ins Strudeln kamen. Alkoholmissbrauch und Gewalt gaben dem Familienzusammenhalt oft den Rest. Heute hat sich die Situation insofern verändert, als die Schutz suchenden Frauen immer jünger werden und es zunehmend Frauen mit Migrationshintergrund sind.

Verändert hat sich zudem die Aufenthaltsdauer. Gab es in den ersten Jahren nur schwer Wohnraum, der vermittelt werden konnte, so ist dies heute oft kein so großes Problem mehr. Dadurch bleiben die Frauen und Kinder kürzer im Frauenhaus. Allerdings, so die Schwestern, bot ein langer Aufenthalt ganz andere Ansätze, die Frauen in eine selbstbestimmte Zukunft zu führen.

In ihrer Spiritualität gestützt werden die vier in Erfurt lebenden Schwestern durch die Grundhaltung ihrer Gemeinschaft, die als viertes Gelübde die Bereitschaft zum Dienst an Menschen in Notlagen kennt. Darauf verweist auch der Hirtenstab im Kreuz, das alle Schwestern tragen. Er steht symbolhaft dafür, dass die Gemeinschaft vom Guten Hirten in Fortsetzung des Lebens Jesu in dieser Welt tätig ist, und am Erlösungswerk Christi mitarbeitet. Schwester Ignatia: "Dieses Haltung prägt uns lebenslang. Daneben sind es die Feier der Eucharistie, das Stundengebet, die persönliche Zeit mit Gott und das Leben in unserer Gemeinschaft, die uns tragen."

Auch nach dem Abschied vom Frauenhaus engagieren sich die Schwestern vom Guten Hirten in Erfurt am Projekt Ausweg, einer Initiative der Caritas in Thüringen zur Hilfe für schwangere Frauen und Mütter mit Kindern in Not. Weitere Aufgaben sind die Mitarbeit in der Telefonseelsorge, der Gemeindepastoral und bei der Zusammenarbeit mit anderen Gruppen, die ähnliche Aufgaben verfolgen. 2007 wurde die von den Schwestern geschaffene "Fachberatungsstelle für Frauen aus Zwangsprostitution und Menschenhandel" vom Thüringer Innenministerium staatlich anerkannt.

Von Holger Jakobi


Hintergrund

Schwestern vom Guten Hirten

Die Kongregation der "Schwestern vom Guten Hirten" (RGS) wurde 1835 in Frankreich gegründet. Sie hat ihren Ursprung im Orden "Unserer Frau von der Liebe", der durch die Initiative des französischen Volksmissionars Jean Eudes (1601 - 1680) entstand. Nach der Französischen Revolution breitete sie sich unter der Leitung der Generaloberin Schwester Maria Euphrasia Pelletier (1796 - 1868) in Europa und in Übersee aus. 1840 wurde die erste Niederlassung in Deutschland gegründet: das Haus vom Guten Hirten in München. Es folgten weitere Gründungen in Aachen, Münster und Berlin. Das Mutterhaus des Ordens befindet sich in Angers (Frankreich), das Generalat in Rom.

Schwester Maria Euphrasia starb am 24. April 1868 in Angers und wurde 1940 von Papst Pius XII. heiliggesprochen. Schwester Maria Droste zu Vischering (1863 - 1899), Oberin des Hauses vom Guten Hirten in Porto (Portugal), wurde 1975 von Papst Paul VI. seliggesprochen. Zur Kongregation der Schwestern vom Guten Hirten gehören rund 5000 Schwestern in 70 Ländern der Erde. Zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, viele Freundeskreise und assoziierte Laien unterstützen die Arbeit des Ordens.

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps