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Glaubenschätzen auf der Spur

Wie geistig Behinderte in Leipzig sich auf den Empfang der Sakramente vorbereitet haben

Leipzig. Unter den mehr als 30 Erwachsenen im Bistum Dresden-Meißen, die in der kommenden Osternacht getauft werden, sind acht geistig behinderte Frauen und Männer aus Leipzig.

Bei der Zulassungsfeier für Taufbewerber am Aschermittwoch: Scott Pohl mit seiner Taufpatin und Pfarrer Markus Dieringer in der Pfarrkirche Heilige Familie in Leipzig-Schönefeld.

Seit vielen Jahren besuchen sie Sonntag für Sonntag die heilige Messe in der Pfarrkirche Heilige Familie oder in der St.-Hedwigs- Kapelle: Die Bewohner der Leipziger Wohneinrichtungen des Christlichen Sozialwerks in Leipzig- Schönefeld und der Südvorstadt gehören hier gewissermaßen zum Inventar. Viele freuen sich an ihrer lebendigen Art, den Gottesdienst mitzufeiern. "Wenn Manu laut und juchzend das Halleluja mitsingt, dann spürt man richtig, das ist ein Freudenlied", erzählt die Schönefelder Gemeindereferentin Steffi Hoffmann. Auch wenn sich die geistig Behinderten in der Kirche gut aufgenommen fühlten, sei bei einigen im Laufe der Zeit der Wunsch gewachsen, noch intensiver dazuzugehören, weiß die Gemeindereferentin, die die Taufvorbereitung übernommen hat.

Angefangen hatte es vor rund einem Jahr mit einem Glaubensinformationskurs. Sie hatte ihn in der Abschlussphase ihrer Berufsausbildung angeboten, um den Kontakt der Gemeinde zu den Bewohnern des Raphaelsheims zu stärken. Bei den Mitarbeitern des Hauses lief sie mit ihrem Vorstoß offene Türen ein. Der Gottesdienst, an dem neben den wenigen Heimbewohnern, die aus christlichen Elternhäusern stammen, auch etliche ungetaufte freiwillig teilnehmen, hatte immer wieder Fragen aufgeworfen. Aber nicht immer reichte die Zeit und die religiöse Vorbildung der Mitarbeiter, um den Wissensdurst zu stillen und der hier und da zu erahnenden Sehnsucht gerecht zu werden, sich tiefer auf den christlichen Glauben einzulassen. Erprobtes Unterrichtsmaterial für die Glaubensunterweisung geistig behinderter Erwachsener fand Steffi Hoffman trotz intensiver Suche nicht. Den Kurs "Den Schatz des Glaubens entdecken", den sie mit zwei Gruppen von jeweils zehn Frauen und Männern im Raphaelsheim durchführte, hat sie weitgehend eigenständig erstellt.

Ihre Schüler das Wesentliche des christlichen Glaubens mit allen Sinnen erfahren zu lassen, war das Ziel, das sie dabei verfolgte. Jesus macht unser Leben warm und hell, sagte sie ihnen beispielsweise jedes Mal, wenn zu Beginn der Unterrichtsstunde eine große Kerze entzündet wurde. Die Gruppen versammelten sich immer um eine Schatzkiste. Aus der durfte einer der Teilnehmer jeweils ein Symbol oder eine biblische Erzählfigur entnehmen. Daran knüpfte Steffi Hoffmann dann das, was sie gerade vermitteln wollte. Da der Kurs bei einigen Teilnehmern den Wunsch verstärkt hatte, sich taufen zu lassen, ging er nach einigen Monaten in eine Taufvorbereitung über. Diejenigen, die sich nicht taufen lassen wollten oder deren Angehörige Vorbehalte geäußert hatten, nahmen trotzdem weiterhin teil. Fortan fanden sich in der Schatzkiste eine Reihe von Symbolen, die auf Taufe, Eucharistie und Firmung hindeuteten. Das Erlebnis, eine Schale mit Taufwasser oder ein Fläschchen Chrisamöl in den Händen zu halten, ließ die Vorfreude auf die Osternacht wachsen.


Den Glauben auf den Punkt bringen

"Ich habe in dieser Zeit selbst sehr viel gelernt", sagt die Gemeindereferentin. Während sie sonst in der Regel viel mehr Worte mache in der Annahme, "irgendetwas wird bei den Zuhörern schon hängen bleiben", sah sie sich jetzt herausgefordert, alles in wenigen und kurzen Gedanken zum Ausdruck zu bringen. "Was ist das wirklich Wesentliche an unserem Glauben?" war eine Frage, die sie besonders im Zusammensein mit den stärker Behinderten ständig begleitete und die sie zu einer Vertiefung ihres eigenen Glaubens führte.

Manche Fragen, die ihr die Kursteilnehmer stellten, haben sie innerlich sehr berührt. Eine Taufbewerberin zum Beispiel sei von der Sorge umgetrieben worden, ob sie sich überhaupt taufen lassen dürfe, da sie sich gar nicht richtig vorstellen könne, was zu Ostern mit Jesus passiert sei. Die Auskunft, dass niemand, "sogar der Pfarrer nicht" genau sagen könne, wie die Auferstehung abgelaufen sei, habe die Frau beruhigt.

Das Ziel, die Beziehungen der Behinderten zur Gemeinde zu stärken, geriet wieder in den Blick, als es an die Patensuche ging. Trotz des grundsätzlichen Wohlwollens gegenüber den Gemeindemitgliedern aus dem Raphaelsheim und der Außenwohngruppe in der Südvorstadt war es zunächst nicht einfach, Paten für die acht Taufbewerber zu gewinnen. Steffi Hoffmann stieß auf Unsicherheit, die sie gut nachvollziehen konnte: "Ich konnte mir selbst anfangs nicht vorstellen, was da wohl auf mich zukommen würde." Erwartet würde von den Paten lediglich die Offenheit für Begegnungen mit den geistig Behinderten und die Bereitschaft, sie im Gebet zu begleiten. "Dass sich daraus tiefer führende Beziehungen entwickeln, kann man natürlich - wie bei jeder Begegnung unter Erwachsenen - nicht erzwingen", hat sie deutlich gemacht.


Glaube bleibt Geheimnis - auch für Hochintelligente

Bei Vorträgen, die sie anlässlich der bevorstehenden Taufe in der Gemeinde hielt, hatte sie sich auf Diskussionen eingestellt. Zwar habe dann niemand offen in Frage gestellt, ob es richtig sei, Menschen mit geringer Intelligenz zu den Sakramenten zuzulassen. Leise Zweifel wurden durchaus geäußert: "Unsere Kinder mussten so vieles lernen und wissen, bevor sie zur Erstkommunion gehen durften ..."

Steffi Hoffmann hat in dieser Frage eine klare Position und sieht sich darin auch von Gemeindepfarrer Markus Dieringer unterstützt: Jesus habe seinen Auftrag "Tauft alle Völker!" nicht an einen bestimmten Mindest-Intelligenzquotienten geknüpft. Natürlich gehöre Wissensvermittlung zur Vorbereitung auf die Sakramente und sei auch bei den geistig Behinderten praktiziert worden. Aber: "Wie viel vom Geheimnis des Glaubens verstehe ich denn selbst wirklich über den Verstand?", fragt sich die Gemeindereferentin. "Wer könnte sich diesbezüglich über andere Menschen ein Urteil erlauben?"

Sie habe sich im Zuge der Taufvorbereitung wiederholt darüber gefreut, dass "wir solch eine leibfreundliche Religion haben." Jesus habe immer wieder gerade leidende Menschen seine Nähe und Liebe erfahren lassen, erinnert sie. Den Behinderten, die fast alle in ihrem Leben wiederholt Ausgrenzung und Abbrüche von Beziehungen erlebt hätten, gelte seine frohe Botschaft in besonderem Maße, ist sich Steffi Hoffmann sicher.

Kontakt: gr.steffihoffmann@web.de


Von Dorothee Wanzek

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