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Würde Jesus Armut zulassen?

Caritas-Sonntag mahnt zu mehr Gerechtigkeit und Solidarität / Diskussion in Finsterwalde

Finsterwalde. In einer Diskussionsrunde haben sich Gemeindemitglieder und Politiker mit dem Thema "Armut" beschäftigt.

Im Gemeindehaus folgte nach dem Hochamt eine spannende Gesprächsrunde mit Vertretern aus Politik, Pfarrei und sozialen Einrichtungen. Landrat Christian Jaschinski (Mitte) gab Anstöße, wie sich Armut konkret bekämpfen und vorbeugen lässt. Ansetzen muss man seines Erachtens vor allem bei der Jugendarbeitslosigkeit, bei der Erziehung in Familie, Kindergarten und Schule sowie im Umgang der Generationen miteinander.

Kraftvoll singt die Gemeinde. "Unser Leben sei ein Dienst. Jesu Sinn in unserem Herzen. Jesu Liebe in unseren Werken. Jesu Demut in unserem Glauben", klingt es zum Hochamt durch die Kirche der katholischen Gemeinde St. Maria Mater Dolorosa. Der bundesweite Caritas-Sonntag anlässlich des Europäischen Jahres zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung widmet sich brennenden Themen. "Ich halte nichts von Schubkästen und Stammtisch- Parolen", findet Pfarrer Norbert Christoph klare Worte. "Eine Praxis wie in Frankreich mit der Minderheit der Sinti und Roma darf es bei uns nicht geben."

Armut gibt es auch in der eigenen Gemeinde

16,5 Prozent der 110 000 Einwohner im Elbe-Elster-Kreis sind von Armut gefährdet. So ermittelte es der Mikrozensus 2009. Doch wo beginnt Armut? Und wie zeigt sie sich? "In der Gesundheit, wenn Sehhilfe, Zahnersatz und andere Zusatzleistungen nicht mehr finanzierbar sind", nennt der Pfarrer konkrete Beispiele. "In der Ausbildung, wenn Kindern der Zugang zu höherer Bildung verwehrt bleibt. Im Wohnen, wenn Mietsteigerungen zu Einschränkungen führen. In der sozialen Infrastruktur, wenn Eintrittsgelder nicht mehr zahlbar sind." Armut und Ausgrenzung, so betont er, bedingen unmittelbar. Oft gelten Betroffene pauschal als Schuldige. "Wie schnell stimmen wir in diesen Chor mit ein? Wie schnell grenzen wir selbst Minderheiten aus?", fragt der Pfarrer nachdenklich.

Armut spürt er auch in der eigenen Gemeinde. 1 700 Katholiken aus Finsterwalde, Doberlug- Kirchhain, Crinitz, Sallgast und Tröbitz gehören dazu. "Das Problem ist, Armut zu sehen und zuzugeben", meint Joachim Erbe, der sich als Küster, im Chor und im Bibelkreis engagiert. "Der Mensch von heute ist nicht materiell arm. Er ist seelisch und geistig arm. Ihm fehlt die Grundlage. Die Sinnfrage des Lebens."

In der Pfarrgemeinde gibt es zahlreiche Initiativen

In Finsterwalde kennt Joachim Erbe konkrete Initiativen. Sie helfen, Armut zu lindern und zu bekämpfen. Er nennt die Kleiderkammer der Katholischen Frauengemeinschaft. Er nennt das Kinderhaus St. Raphael in Trägerschaft der Pfarrei. "Es ist offen auch für sozial schwache Familien", betont der Küster. Er nennt auch die Caritas-Sozialstation in Trägerschaft der Diözesancaritas. Andreas Jahn aus der Pfarrei engagiert sich dort in der Migrationsberatung. Armut spürt er im Alltag oft. "Das betrifft zum Beispiel den Zugang zu den Fachärzten. Oft sind weite Wege für Betroffene nicht mehr zu leisten", schildert er.

In der Pfarrei selbst gibt es viele ehrenamtliche Dienste. Dies betrifft Küster, Kirchen-Wäsche, Straßen-, Grundstücks- und Kirchenreinigung, Kelchwäsche, Blumenschmuck und die Caritas- Straßensammlung. "Hier bringen sich auch Arbeitslose und sozial Schwache mit ein. Diese Gemeinschaft ist eine Chance, aus der Armut auszubrechen", meint Joachim Erbe.

Bürgermeister: Kinderbetreuung sollte gratis sein

Doch wie ist Armut an den Wurzeln zu packen? Die Diskussion im Gemeindehaus gibt viele Anstöße. "Es ist eine Frage des Vorlebens in der Familie. Des Organisierens. Der Lebensinhalte", sieht Bürgermeister Jörg Gampe (CDU) vor allem Eltern in der Pflicht. "Oft kommt Kindergeld in armen Familien bei den Kindern nicht an." Jörg Gampe würde den Betrag lieber direkt für die Bedürfnisse der Kinder ausgeben.

Landrat Jaschinski fordert mehr christliche Kitas

Kinderbetreuung, so betont er, sollte kostenfrei sein. Die Versorgung im Kindergarten sollte verbessert werden. Kinder könnten gemeinsam Frühstück zubereiten und essen. "Wir haben den Zuschlag vom Land erhalten, unseren Kreis als kinder- und familienfreundliche Pilotregion zu gestalten. Hier sind alle gefordert: Kommunen, freie Träger, Vereine", unterstreicht Landrat Christian Jaschinski (CDU).

100 Lehrstellen waren Anfang 2010 im Kreis nicht besetzt. Zugleich gab es 750 langzeitarbeitslose Jugendliche. "Sie gilt es einzugliedern", betont er. "Das entlastet unser soziales System." Generationen, so findet er, sollten stärker voneinander lernen. Auch dies beugt Armut vor. "Mein Appell ist: Von den 101 Kindertagesstätten im Kreis sollten wir mehr in christliche Trägerschaft bringen", so der Landrat. "Christliche Werte - früh vermittelt - können viel bewegen." Pfarrer Norbert Christoph nennt Antworten aus der Bibel. Sie können Orientierung geben. "Jesus sagt: ,Arme werdet ihr immer unter euch haben‘", so der Pfarrer. "Doch Jesus sagt auch: ,Bei euch soll es anders sein.‘ Was für uns heute heißt: Wir dürfen uns nicht mit Armut abfinden. Wir sollten hinsehen, Not sehen und versuchen, sie zu lindern."

Von Andreas Kirschke

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