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Anstoß

Da muss sich etwas ändern

Marko Dutzschke

Mein Nachbar hat eine Bowlingklause. In der Gaststätte mit angeschlossener Bowlingbahn ist den ganzen Tag etwas los. Außerdem bekomme ich auf kurzem Wege ein Mittagessen. Wie es sich für so ein Haus gehört, gibt es einen Stammtisch, an dem sich Männer regelmäßig treffen, um Skat zu spielen. Gesprochen wird dabei eigentlich wenig. Aber für ein paar klagende Worte über den Staat, die Wirtschaft und die Politik reicht es doch. Dann ist es wieder still. Ich sitze mit meinem Mittagessen daneben und denke nach.

Über die da "oben" zu klagen, ist nicht neu. Vor einiger Zeit haben wir am Sonntag aus dem Buch des Propheten Amos gelesen. Die kernigen Worte des biblischen Sozialkritikers sind mir noch gut in Erinnerung. Er nimmt kein Blatt vor den Mund: "Das Fest der Faulenzer ist nun vorbei." (Amos 6,4- 7) Mit dem Propheten könnten auch wir über die herrschenden Verhältnisse klagen. Über Spitzengehälter, die man nur noch unanständig nennen kann, über Aktiengeschäfte und politische Entscheidungen, die schwer nachzuvollziehen sind. Da muss sich etwas ändern! Durch unsere Klagen ändert sich zwar nichts, aber wir haben unserem Ärger wenigstens einmal Luft gemacht. Und das ist doch auch schon ein Erfolg.

In einem seiner Gleichnisse sagt Jesus: "Ihr könnt nicht beidem dienen, Gott und dem Mammon." (Lukas 16,1-13) Dieses Wort scheint dem Propheten Amos auf den ersten Blick Recht zu geben. Ja, die da oben leben auf Kosten der Kleinen. Erst auf den zweiten Blick fällt der Unterschied auf. Der Prophet Amos nimmt berechtigte Klagen des Volkes auf und schreit sie heraus. Jesus schreit nicht heraus. Er spricht die Menschen an, die ihm zuhören wollen. Er entwirft keine systematische Sozialkritik. Jesus lenkt den Blick von anonymen Strukturen und Verhältnissen auf den Menschen.

Mehr und mehr komme ich zu der Überzeugung, dass es mit äußerlichen Veränderungen nicht getan ist. Wir haben in unserem Land schon viele Strukturen erlebt. Gerade haben wir gefeiert, dass wir seit 20 Jahren in einer Demokratie leben. Aus vielen Gründen bin ich sehr dankbar dafür. Und doch weiß ich um die Grenzen demokratischer Entscheidungsprozesse.

Von außen lassen sich die Probleme einer Gesellschaft nicht beheben. Wenn Jesus den Menschen vor die Wahl stellt, Gott oder dem Mammon zu dienen, verlangt das die Fähigkeit der Unterscheidung. Es kommt heute mehr denn je auf die Bildung des Menschen an. Aber damit ist nicht eine schulische Bildung gemeint, die noch besser, fundierter und umfassender ist. Gemeint ist, was wir in guter christlicher Tradition "Herzensbildung" nennen. Nach 20 Jahren Deutscher Einheit könnten wir fragen, wie es um diese Bildung steht. Wollen wir sie überhaupt?

Kaplan Marko Dutzschke,
Cottbus

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