Als Laien vor Ort verantwortlich
In Schwanebeck sollen Ehrenamtliche Seelsorgeaufgaben in der Gemeinde übernehmen
Schwanebeck. In der Pfarrei St. Benedikt Huysburg bei Halberstadt startet derzeit ein Projekt des Bistums Magdeburg: Nach französischem Vorbild soll erstmals ein ehrenamtliches Team gebildet werden, das in der zur Pfarrei gehörenden Gemeinde Schwanebeck seelsorgliche Verantwortung übernimmt.
Seit März 2009 gehört die Kuratie Schwanebeck zur neugegründeten Pfarrei St. Benedikt Huysburg. Bis Juli 2010 kümmerte sich noch ein Diakon um die Gemeinde mit ihren 20 Gottesdienstbesuchern und 108 Mitgliedern, einem eigenen Gemeindehaus und der Wallfahrtskirche "Zum Allerheiligsten Altarssakrament". Inzwischen jedoch wurde der Diakon anderenorts mit Aufgaben betraut.
Für die kleine Gemeinde stellt dies eine neue, nicht leichte Situation dar: Wer wird nun im Pfarrhaus wohnen? Wer schließt die Kirche auf und läutet die Glocken? Wer kümmert sich um das Gemeindeleben? Wer organisiert den Martinsumzug? Wer wird im Winter Schnee räumen? Solche und viele weitere besorgte Überlegungen stehen im Raum und wurden auch schon bei Gemeindeversammlungen diskutiert.
Gute Erfahrungen in französischen Bistümern
Schwanebeck ist nicht die einzige Gemeinde in solcher Situation. Um so mehr gilt es Antworten auf die Frage zu geben, wie es weitergehen kann, ja vielleicht sogar, wohin Gottes Geist die Gemeinden führen will. So jedenfalls sehen es die Verantwortlichen im Bistum Magdeburg und in der Pfarrei Huysburg und hatten deshalb am 6. September den Generalvikar der Diözese Châlons en Champagne, Joël Morlet, zu einer Gemeindeversammlung nach Schwanebeck eingeladen. Morlet sollte von den Erfahrungen in seiner und anderen französischen Diözesen berichten. Denn diese sollen im Rahmen des sogenannten "VOLK-Projektes" ("Vor Ort lebt Kirche") für hiesige Verhältnisse fruchtbar gemacht werden. Neben der Pfarrei Huysburg haben auch schon andere Gemeinden des Bistums Magdeburg Interesse dafür bekundet. Bevor der Generalvikar jedoch zu Wort kam, lud Referentin Bettina Albrecht vom Fachbereich Pastoral im Bischöflichen Ordinariat Magdeburg mit Gebet und Lied dazu ein, sich der Zusage der Nähe Gottes in jeder Situation zu versichern.
"Was muss passieren, damit das Glaubensbewusstsein, dass Gott unter den Menschen ist, präsent bleibt, gelebt wird und über die Gemeinde hinaus erfahrbar ist, selbst wenn es keinen hauptamtlichen Seelsorger vor Ort gibt?" Diese Frage hatten die theologische Referentin des Magdeburger Bischofs Gerhard Feige, Dr. Annette Schleinzer, und der Pfarrer der Pfarrei Huysburg, Benediktiner- Bruder Petrus Henke, schon bei der ersten Gemeindeversammlung in Schwanebeck im Mai gestellt. Bei dieser ersten Runde waren daraufhin wichtige Aspekte zusammengetragen worden: Nötig sind Gottesdienste, Sorge um die christliche Erziehung der Kinder und Jugendlichen, Besuche bei Alten und Kranken, Leben in Gemeinschaft wie zum Beispiel im Frauenkreis, Kontakte zu anderen christlichen Gemeinden, Präsenz in der Kommune, Erhalt und Pflege von Kirche und Grundstück. Nicht nur auf karitativem Gebiet könnten Ehrenamtliche vieles übernehmen, hatten Annette Schleinzer und Pfarrer Henke den Anwesenden daraufhin deutlich gemacht. Genauso sei denkbar, zum Beispiel aus Anlass eines Unfalls oder einer Geburt eines Kindes im Ort als Gemeinde in der Kirche zusammenzukommen, Kerzen zu entzünden und miteinander zu beten, zu singen, zu schweigen.
Auch ohne Hauptamtliche zusammen beten und singen
Am 6. September nun berichtete Generalvikar Morlet von den überwiegend guten Erfahrungen mit sogenannten Équipes Pastorales, fünfköpfigen Ehrenamtlichenteams in den Pfarreien in der Diözese Châlons (siehe unten). Je eine Person ist für Liturgie, für Katechese, für karitative Aufgaben und für Finanzen verantwortlich. Eine fünfte Person koordiniert diese Dienste. Die Teammitglieder werden für drei Jahre beauftragt, um in Absprache mit dem zuständigen Pfarrer und dem Pfarrgemeinderat die Seelsorge am jeweiligen Ort zu leiten.
Für das VOLK-Projekt des Bistums Magdeburg ist in Anlehnung an die französischen Erfahrungen ein Team von mindestens drei Personen vorgesehen, die für das Leben der Gemeinde verantwortlich sind, ohne alles selbst bewerkstelligen zu müssen. Sie sollen andere dafür gewinnen, sie zu unterstützen. Bei ihrem Dienst sollen sie sowohl vom Pfarrer als dem Leiter des Projekts als auch vom Fachbereich Pastoral des Bistums Magdeburg unterstützt werden.
Die Schwanebecker sind in diesen Tagen nun aufgefordert, Pfarrer Petrus Henke geeignete Personen schriftlich vorzuschlagen. Mit Zustimmung der Gemeinde werden sie dann beauftragt und in ihren Dienst eingeführt. Generalvikar Morlet jedenfalls ermunterte die Gemeinde zu dem Projekt: "Ich möchte Sie von Herzen dazu ermutigen, sich auf diesen neuen Weg einzulassen. Es lohnt sich", sagte er bewusst auf Deutsch.
Von Eckhard Pohl
Hintergrund
"Es ist ein neues Verständnis von Christsein notwendig"
Der Generalvikar des französischen Bistums Châlons en Champagne, Joël Morlet, war am 6. September in Schwanebeck zu Gast, um von den Erfahrungen mit ehrenamtlichen Pastoral- Teams zu berichten.
Im Bistum Châlons-en- Champagne gibt es seit zehn Jahren in den Pfarreien sogenannte Équipes Pastorales. Je eine Person ist in Absprache mit Pfarrer und Pfarrgemeinderat für Liturgie, Katechese, karitative Aufgaben und Finanzen verantwortlich. Eine fünfte Person koordiniert die Dienste und sorgt für die Verbindung zum Pfarrer. Das Bistum hat seit 1997 34 Pfarreien (vorher 450!). Jede Pfarrei besteht aus zehn bis 15 Gemeinden. In zwölf der Pfarreien gibt es keinen Priester oder anderen Hauptamtlichen. Die Mitglieder der Pastoralteams werden von den Gemeinden vorgeschlagen und durch den Bischof bestätigt.
"Wer die Vollzüge des Glaubens nur konsumiert", so Generalvikar Morlet, "begreift nicht recht, worum es beim Christsein geht. Erst wer selbst etwas für das christliche Leben vor Ort tun will, versteht, dass er von Christus gerufen und gesandt ist, das Evangelium zu verkünden. Das ist unsere Erfahrung."
"Wenn sich am Ort kein Priester mehr darum kümmern kann, dass die Menschen den Glauben leben, sind sie gezwungen, dies selbst zu tun. Erster Schritt für die Équipe ist es, miteinander als christliche Gemeinschaft zu leben. Dazu gehört, bei jeder Zusammenkunft eine Gebetszeit zu halten und im Blick auf die Heilige Schrift zu fragen, was Gott will und welche Aufgaben es von ihm her zu erfüllen gilt. Folge ist, dass die Teammitglieder über ihren Glauben sprechen und sich tiefer kennenlernen. So entsteht eine geschwisterliche Zelle in der Kirche."
Zentrale Aufgabe der Équipes ist es, Gemeinschaft in der Gemeinde zu stiften. Wenn sie selbst eine geistliche Gemeinschaft ist, gelingt dies auch in der Gemeinde besser. Darüber hinaus ist es notwendig, dass die Christen lernen, junge Menschen, die nicht zur Kirche gehören, mit dem Glauben bekannt zu machen. In der Diözese Châlons gibt es dafür eigens ein Projekt. Dabei wird Erwachsenen aufgezeigt, wie sie vom Glauben erzählen können, damit junge Leute spüren, dass das etwas mit ihnen zu tun hat. Jeder Erwachsene erhält den Auftrag, mit einem selbst gewählten, jüngeren Menschen über den eigenen Glauben zu sprechen.
Die Beauftragten in den Équipes der ersten Generation waren vor allem Senioren. Seit aber deutlich geworden ist, dass der Dienst der Beauftragten leistbar ist und dieses Modell eine Chance für die Gemeinde vor Ort bietet, übernehmen auch jüngere Christen den Dienst für eine bestimmte Zeit.
Ein Pfarrer, so Generalvikar Morlet, hat nach wie vor die Gesamtleitung der Pfarrei. Er kann aber nicht weiter der Manager seiner Pfarrei sein; es entspricht seiner Aufgabe viel mehr, dass er ihr geistlicher Begleiter ist. In der Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlichen dient er dem Wachstum ihres Glaubens, fördert ihre Charismen und wacht darüber, dass es in allem wirklich um Jesus Christus geht. (ep)