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Anstoß

… und mittendrin Blumen

Guido Erbrich

Im Gleisgewirr des Chemnitzer Hauptbahnhofes steht ein Stellwerkhäuschen. Das an sich ist nichts Ungewöhnliches, solche Häuser stehen oft im Gleisgetümmel der sich teilenden und zusammenlaufenden Bahnstrecken. Meist sind sie etwas heruntergekommen, mit Graffitis beschmiert und bezeugen nüchtern ihre Funktion. Das eine kleine Häuslein in Chemnitz ist erfrischend anders - und Schuld daran ist eine Kleinigkeit. An seinen Fenstern stehen bunte, blühende Blumenkästen, die den Vorbeireisenden ins Auge springen, als wollen sie sagen: "Schön, dass Sie hier sind".

Irgendjemand muss die Blumenkästen dort hingestellt haben, die Blumen gießen und pflegen und sich selbst daran erfreuen. Und so ganz nebenbei bereiten diese unbekannten Eisenbahner auch allen anderen eine Freude, die sich von den Blumen überraschen lassen. Schwer vorstellbar, dass dahinter eine Direktive des Bahnchefs steckt, der wird mit Stuttgart 21 ganz andere Sorgen haben. Die Eisenbahner des Chemnitzer Stellwerkes zeigen, ob geplant oder ungeplant, dass es schön ist, wenn andere merken, dass zu ihrer Arbeit Freude dazugehört. Arbeit ist nicht nur der reine Broterwerb, sondern ein Stück Leben. Und dieses schöne Stück Leben wird so ganz nebenher mit anderen geteilt.

Dies kann ich auch als Aufforderung sehen, meine eigene Arbeit so zu machen, dass andere Freude daran haben können. Egal ob das bezahlt wird oder nicht. Welche bunten Blumen vermag ich in den Alltag zu stellen? Meist sind es Kleinigkeiten, die nicht die Bohne kosten und eine wunderschöne Wirkung erzielen. Kleine Überraschungen, die zeigen, dass wir auch liebevoll mit unserer Welt umgehen können.

Mal angenommen, wir würden alle solch unspektakuläre Kleinigkeiten zur Verschönerung unserer Welt beitragen. Dann würden sich diese Kleinigkeiten summieren. Und plötzlich würde bei Entscheidungen eine wichtige Rolle spielen, ob das, was wir machen, auch unser Herz erwärmt. Neben allen praktischen Erwägungen wäre es durchaus erheblich, ob der "Wohlfühlfaktor" mit bedacht ist. Genau diese Kleinigkeiten, die alles andere als unerheblich sind, werden bei vielen Projekten vergessen. Stuttgart 21 ist da nur ein Beispiel.

Die Welt besser und schöner zu machen ist eine Aufgabe für uns alle.

In ihrem weltberühmten Tagebuch schreibt das die 14-jährige Anne Frank ganz einfach: "Wie herrlich ist es, dass niemand auch nur eine Minute zu warten braucht, um damit zu beginnen, die Welt zu verändern."

Guido Erbrich, Roncalli-Haus Magdeburg

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