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Frei sein - was bedeutet das?

Ergebnisse einer Recherche von jungen Menschen vor und hinter Gittern

Halle. In einem Medienprojekt haben sich 17 junge Erwachsene, darunter sechs aus dem Offenen und sechs aus dem geschlossenen Vollzug der Jugendhaftanstalt Raßnitz, mit dem Thema Freiheit beschäftigt. Was es für sie bedeutet, frei zu sein, präsentierten sie jetzt in Halle.

Frei sein war der Titel eines Medienprojektes

Frei sein: "Ist ein Geisteszustand", "Wenn ich Zeit für mich habe und keine Verpflichtungen", "Beginnt im Kopf, keine Erwartungen erfüllen zu müssen", "Wenn ich tun kann, was ich will". - Diese und viele weitere Antworten auf die Frage "Was ist frei sein?" waren bei der Vorstellung des Medienprojektes zu hören. Nicht selten war aber auch ratloses Schulterzucken zu sehen, wie eine Video-Umfrage auf dem Halleschen Marktplatz zeigte.

Doch die Ergebnisse der etwa fünfwöchigen Recherchen waren noch weit vielfältiger. In Bildern, Texten, Fotos, Gegenständen, Musik und Videos versuchten die jungen Leute dem interessierten und vor allem jungen Publikum darzustellen, was ihnen Freiheit bedeutet oder was sie mit Freiheit verbinden: Der Geruch von nassem Gras oder von Wäldern, eingefangen in Gläsern; eine Muschel; ein Foto von einem Luftsprung; ein Bild von einem riesigen einsamen Herzen, das sich hinter Gittern nach Freiheit sehnt.

Dass sich Jugendliche aus dem Offenen Vollzug der Jugendanstalt Raßnitz mit Jugendlichen von "draußen" in einem Kunstund Medienprojekt zusammenfinden konnten, war besonders dem Verein "Miteinander" und dem Netzwerk "Theaterdialog" zu verdanken. Der Verein für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen- Anhalt und der Zusammenschluss freier Theaterpädagogen unter der Leitung von Till Baumann und Katrin Wolf gestalten schon seit einigen Jahren in Raßnitz gemeinsam mit Gefangenen Theaterprojekte, aus denen auch dieses Projekt hervorging.

Den Gedankenaustausch mit Jugendlichen im geschlossenen Vollzug wiederum ermöglichte der katholische Gefangenenseelsorger Michael King, der in seiner Schreibwerkstatt die jungen Männer parallel zum Thema Freiheit grübeln ließ. Die Ergebnisse dazu präsentieren sie in der jüngsten Ausgabe ihrer Zeitung "Gefangene Gedanken".

"Freiheit im Gefängnis wird nicht viel anders verstanden als Freiheit hier draußen", sagte Ricarda Milke vom Verein "Miteinander". "Sie erleben lediglich andere Zwänge, die sie unfrei machen." Und Seelsorger Michael King weiß, dass sich auch die Inhaftierten frei fühlen können. "Wenn sie die innere Freiheit gewinnen, egal wie die äußeren Umstände auch sind." Ähnlich beschreibt es Ramón in der Gefangenenzeitung: "In der Anstaltskirche fühle ich mich am meisten frei, denn dort sind meine Gedanken frei."

Die 22-jährige Studentin Angela Höller hat das Projekt als Interessierte von "draußen" miterlebt. Sie habe sich vorher noch nicht intensiv mit dem Thema "Freiheit" beschäftigt. Während der Projektvorstellung sagte sie: "Freiheit ist, wenn alles fliegt, nur die Zeit nicht." Auf das Projekt habe das jedoch nicht zugetroffen: "Ich fand das Projekt sehr spannend, aber es war zu wenig Zeit."

Was Freiheit ist oder vielmehr war, das wissen wohl am besten jene Menschen, denen sie äußerlich entzogen wurde. Für die jungen Erwachsenen aus dem Offenen Vollzug verband sich mit dem Projekt an sich schon Freiheit. "Im Gefängnis ist man gar nicht frei", meinte ein 21-jähriger junger Mann. "Aber durch die Teilnahme an dem Projekt hatte ich selbst mehr Freiheit. Ich konnte nach Halle fahren und Fotos machen", zählte er seine kurzzeitigen Vorteile auf. Nun ist das Projekt abgeschlossen, seine Haftstrafe aber erst im Juni 2011. Doch der Seelsorger Michael King kündigte an, dass es eine Fortsetzung des Projektes geben soll.

Von Uwe Naumann

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