Anstoß
Verbraucht werden
Die Winterzeit hat uns wieder. Unsere Uhren sind umgestellt und wir haben eine Stunde gewonnen. Dafür müssen wir uns daran gewöhnen, dass es um halb fünf schon wieder dunkel wird. Viele Menschen versuchen, die drohende Dunkelheit in einem Meer aus Kerzen ertrinken zu lassen. In den Straßen leuchten tausende Kinder mit ihren Laternen für den heiligen Martin und auf den Friedhöfen verbreiten Grablichter ihr tröstliches Licht.
Für mich gehört zum Allerseelentag und in diese Zeit das Licht der Osterkerze wie der Mantel zum heiligen Martin. Auch diese Kerze wurde in einer Nacht entzündet, damit sie die Dunkelheit vertreibt. Allerdings muss ich dafür den schweren Osterleuchter zum Altar tragen. Und wie immer denke ich dabei daran, dass wir beim nächsten Mal einen Leuchter nehmen sollten, den ein Mann ohne Probleme alleine tragen kann. Aber dann brennt die Kerze und der Gottesdienst kann beginnen.
Täuflingen, Erstkommunionkindern, Firmlingen und Ehepaaren wird an der Osterkerze ein Licht entzündet. Dieses Licht ist ein Zeichen, dass sie als Kinder des Lichtes leben wollen und "dem Herrn und allen Heiligen entgegengehen, wenn er kommt in Herrlichkeit" (aus der Taufliturgie). Zum Allerseelentag leuchtet die Osterkerze für unsere Verstorbenen. So, wie die Osterkerze am Ende des alten Kirchenjahres aussieht, kann sie für das Ende unseres irdischen Daseins ein sprechendes Bild sein.
Oft hört man bei Beerdigungen, wie schade es ist, dass einer schon so früh sterben musste, oft auch dann, wenn der Tote eigentlich ein hohes Alter erreicht hat. Mit Blick auf die Osterkerze können wir zu einer anderen Einschätzung gelangen. Das große Kreuz erinnert an Jesus Christus, der nur 33 Jahre auf dieser Welt gelebt hat und davon nur drei Jahre öffentlich lebte und lehrte. Man müsste sagen: Er ist viel zu früh gestorben.
Aber Jesus hatte keine Angst, für uns Menschen verbraucht zu werden. Sein Leben war Hingabe. Darin gleicht er der Osterkerze. Wenn wir sie anzünden, verbrauchen wir sie. Aber nur wenn wir die Kerze verbrauchen, schenkt sie ihrer Umgebung Licht und Wärme. Nur wenn wir unser Leben einsetzen, bringen wir Licht in das Leben anderer Menschen. Dabei kommt es nicht darauf an, wie lange einer am Leben war. In der Dunkelheit ist jedes Licht willkommen.
Solange wir in dieser Welt leben, geht es darum, dass Menschen Licht werden füreinander. Für unsere Verstorbenen hoffen wir, dass Gott ihnen zum Licht ohne Abend wird. Sollten wir sie darum bedauern?
Kaplan Marko Dutzschke, Cottbus