Anstoß
Die kommenden Tage
"Die kommenden Tage", so lautet der Titel eines herausfordernden Films, der momentan in den Kinos läuft. In der Presse eher kritisch beäugt, entwirft dieser Film ein düsteres Zukunftsszenario. In einem zehn Jahre in der Zukunft liegenden Deutschland haben sich das weltpolitische Gefüge und die Gesellschaft sehr verändert. Der vierte Golfkrieg wird um die immer knapper werdenden Energiereserven geführt, die Europäische Union - oder das, was davon übrig ist - hat an den Alpen einen undurchdringlichen Schutzwall gegen Migrantenströme aus Afrika errichtet und die Weltwirtschaft ist zusammengebrochen, was bis zur Lebensmittelknappheit führt.
Innerhalb dieses Tohuwabohus wird der Blick auf zwei Schwestern gelenkt: Laura, die jüngere der beiden, versucht trotz der Umstände mit aller Kraft eine bürgerliche Existenz zu bewahren, wozu für sie ein gewisser Konsum, Sicherheit, Partnerschaft und Familie gehören. Cecilia, die ältere, hält diese bürgerliche Gesellschaft für den eigentlich Verantwortlichen an der gesellschaftlichen und politischen Misere. Sie radikalisiert sich und wird nach anfänglichen eher harmlos-kreativen Protest- Happenings zur mordenden Terroristin.
In der Tat scheinen Bürgerproteste gegen die verschiedensten Vorgänge momentan nicht nur in Deutschland wie Pilze aus dem Boden zu schießen, weswegen man sich seine Gedanken und vielleicht auch Sorgen machen kann. Aber was verbirgt sich dahinter? Handelt es sich um einen Ausdruck tiefer Unzufriedenheit, um Reaktionen auf massive Ungerechtigkeiten der Politik, Freizeitbeschäftigung und Spaß oder um wirkliche Beteiligung an demokratischen Entscheidungsfindungen? Vermutlich stecken noch viel tiefer gehende Frage dahinter: Wie wird sich unsere Welt in den nächsten Jahren verändern? Auf welche Veränderungen müssen wir uns gefasst machen? Cecilia zieht nach dramatischem Showdown im Film eine eindrückliche Lehre: "Im Chaos und im Kuddelmuddel ist das Leben. Konsequenz führt immer in den Terror." So naiv dieser Satz klingen mag, so wahr scheint er dennoch zu sein. Es geht darum, wie wir mit - auch politisch und gesellschaftlich bedingten - Schwierigkeiten umgehen können. Sind sie nur durch sklavische Befolgung von Heilsversprechungen aus dem Weg zu räumen oder gehören sie einfach zu unserer menschlichen Normalität? Folgt man einer Heilsversprechung zu extrem, zu konsequent, führt auch diese letztendlich wieder in unbefriedigende Lebensbedingungen.
Vielleicht müssen wir uns als Menschen in gewissem Sinne - nicht leichtfertig - mit dieser Normalität unseres Lebens versöhnen, uns immer wieder auf mühsame Gespräche, Diskussionen und Prozesse einlassen, um die Welt zu gestalten. Oder um es positiv zu formulieren: Gönnen wir uns ein wenig Inkonsequenz!
P. Bernhard Kohl OP, Leipzig