Ein Abend des Teilens
In Halle fand im dritten Jahr ein Martinsmahl vor allem für erwachsene Neugetaufte statt
Halle. Zu einem Martinsmahl waren am 11. November, dem Fest des heiligen Martin, in Halle besonders neugetaufte Erwachsene eingeladen.
Der Tisch ist bereits festlich gedeckt, als die Gäste eintreffen: Weingläser, Teller und Besteck, an jedem Platz ein Kerzenständer mit Teelicht und eine kleine Papiergans, in der ein Bonbon steckt, zudem für jeden Teilnehmer ein liebevoll handgefertigtes Ablaufund Liedheft. In der Tischmitte kleine Martins-Laternen in verschiedenen Farben und blühende Zweige. Dazu gedämpftes Licht. Schließlich sind es 14 erwachsene Personen, die an der Festtafel im modern gestalteten Obergeschoss des Gemeindehauses an der Moritzkirche in Halle Platz nehmen.
Bereits zum dritten Mal hat Gemeindereferentin Dorothea Tesching zu diesem Martinsmahl eingeladen. Ganz besonders willkommen zu diesem "Abend der Begegnung, des Austausches und des Teilens der eigenen Zeit" sind der Mitarbeiterin der Katholischen Akademie des Bistums dabei erwachsene Neugetaufte. "Für diesen Personenkreis ist es wichtig, die verschiedenen Traditionen des Kirchenjahres kennen zu lernen", sagt die Gemeindereferentin. "Zudem bietet der Abend Gelegenheit, miteinander auch außerhalb des gewohnten Gottesdienstes und hier konkret bei Tisch zu beten." Der Martinstag sei heute im allgemeinen Verständnis ein Fest für Kinder. Um Erwachsene anzusprechen, brauche es etwas anderes "als Martin hoch zu Pferde und Martinshörnchen".
Eingeladen hat Frau Tesching vor allem Neugetaufte der letzten Jahre in der Region Halle. Gekommen sind diesmal nur vier, im letzten Jahr seien es neun gewesen. Die anderen Gäste am Tisch stammen aus der Pfarrei St. Mauritius und St. Elisabeth.
Zu Beginn des Mahles bittet Dorothea Tesching alle Anwesenden, sich mit Namen vorzustellen und zu erzählen, was sie aus ihrer Kindheit mit Martin verbinden. Dabei stellt sich heraus, dass eine Reihe der Gäste, die hierzulande aufgewachsen sind, keine Martinsbräuche erlebt haben. Der heilige Nikolaus sei in der Gemeinde zu den Kindern gekommen, nicht aber Martin. Größere, ökumenische Martinsfeiern habe es allerdings auch während der DDR-Zeit in Erfurt, Lutherstadt Eisleben und Nordhausen gegeben.
Martinsbräuche zu DDRZeiten wenig verbreitet
Mit dem Lied "Da wohnt ein Sehnen tief in uns" geht es in der Feier weiter. Unter den Teilnehmern ist Volkskundlerin Dr. Annette Schneider. Sie erzählt etwas von der Lebensgeschichte des Martin von Tour und dabei natürlich auch, wie er seinen Soldatenmantel mit einem Bettler teilte.
Quasi als Tischgebet sind die Anwesenden nun eingeladen, im Wechsel Psalm 8 zu beten. Der Psalm soll bei Martins Bischofswahl eine Rolle gespielt haben. Nachdem der Hausvater - Propst Reinhard Hentschel nimmt diese Aufgabe wahr - einen Segen über Wein und Brot gesprochen hat, gibt es für jeden Wein und ein Stück Brot. Währenddessen berichtet Annette Schneider davon, dass der Martinstag bei den Bauern der Tag war, um die Mägde und Knechte auszuzahlen, aber auch die gemästeten Gänse zu schlachten. Nun lädt Frau Tesching alle Anwesenden ein, das vor sich stehende Licht für einen Menschen anzuzünden, der einem besonders am Herzen liegt. "Tragt in die Welt nun ein Licht" singen alle schließlich im Lied.
Jetzt wird die Vorsuppe ausgeteilt. Es gibt eine pürierte, würzige Gemüsesuppe. Volkskundlerin Schneider berichtet von der Ausbreitung der Verehrung Martins vom Frankenreich aus nach England, in deutsche Regionen, nach Spanien. Währenddessen kommen Martinsgans, Rotkraut und Kartoffelklöße auf den Tisch. Dazu gibt es Rot- oder Weißwein und einen Früchtemix als Nachspeise. Das Essen hat übrigens Ursula Reisch mit Unterstützung von Frau Tesching vorbereitet. Frau Reisch ließ sich vor drei Jahren taufen.
Als alle gesättigt sind, wird das St.-Martins-Lied der Kinder angestimmt. Am Ende trägt Propst Hentschel eine Lesung aus dem Ersten Petrus-Brief vor und bittet Gott für alle Anwesenden und die, an die sie mit ihrem Licht gedacht haben, um den Segen. Mit dem Lied "Zu dir schick ich mein Gebet" geht der "liturgische Teil" des Martinsmahles zu Ende.
Einer der Neugetauften ist Peter Kubiak (51). Der Fernseh-Journalist ließ sich Ostern 2008 taufen. Er war bereits im vergangenen Jahr beim Martinsmahl dabei. "Ich lerne hier, welche Symbolkraft in den Dingen steckt", sagt Kubiak. "Das trägt dazu bei, den Glauben zu verstehen, so weit man ihn überhaupt verstehen kann. Martin teilt den Mantel. Man kann auch heute vieles miteinander teilen, Zeit, Wissen, den Glauben. Zum Teilen gehören aber mindestens zwei. Auch der Glaube kann nur in Gemeinschaft gelebt werden."
Die Symbolkraft der Dinge macht den Glauben reicher
"Die Idee für dieses Martinsmahl ist vor vier Jahren im Gespräch mit dem hiesigen Religionspädagogen Harald Schwillus entstanden", berichtet Frau Tesching. Er habe die Liturgie für ein solches Martinsmahl entworfen. Sie selbst habe das Konzept abgewandelt, inzwischen mehrmals erfolgreich erprobt und gute Erfahrungen damit gesammelt. Frau Tesching ist gern bereit, es zur Nachahmung - auch mit anderen Zielgruppen - weiterzugeben.
Von Eckhard Pohl