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In Würde das Leben verändern

Anne Farra und André Rossum helfen, wenn Mitmenschen die Wohnungslosigkeit droht

Weimar. In Weimar gibt es seit gut einem Jahr die Mobile Wohnungshilfe, ein Dienst der unter dem Dach der Caritas Menschen in Notlagen hilft, ihre Wohnungen zu behalten oder in eine preiswertere umzuziehen.

 Freitagmorgen. Im Büro von Anne Farra in der Thomas-Müntzer- Straße klinget das Telefon. Ein Anruf aus der Stadt.

Freitagmorgen. Im Büro von Anne Farra in der Thomas-Müntzer- Straße klinget das Telefon. Ein Anruf aus der Stadt. "Bis Dienstag muss die Frau und ihre Tochter aus ihrer Wohnung sein, es brennt sozusagen", sagt Anne Farra, neben André Rossum Mitarbeiterin in der Mobilen Wohnungshilfe, die unter dem Dach der Caritas arbeitet. Finanziert wird die Arbeit für drei Jahre durch die Aktion Mensch und aus Eigenmitteln der Caritas. Damit ist es möglich geworden, Menschen beratend und helfend zur Seite zu stehen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind. Im aktuellen Fall kommt es auf schnelles Handeln an. Es sind nur noch vier Tage, die den beiden Sozialarbeitern bleiben. André Rossum: "Wir müssen halt schauen, was in der Kürze der Zeit möglich ist …" Anne Farra jedenfalls macht sich auf den Weg, um vor Ort die Lage beurteilen zu können. Vielleicht ist ein erstes Gespräch mit der Vermieterseite möglich.

Situationen wie diese gehören zum Alltag der Mobilen Wohnungshilfe. "Meist ist es schon so schlimm, dass bereits eine fristlose Kündigung erteilt wurde, ehe sich die Leute bei uns melden", berichtet André Rossum. Auch wenn eine fristlose Kündigung noch nicht bedeutet, dass die Betroffenen ihre Wohnung verlieren müssen. Beratungen und Verhandlungen mit der Vermieterseite führen in der Regel zu tragfähigen Lösungen für beide Seiten.

Die Gründe für den drohenden Wohnungsverlust seien zumeist angehäufte Mietschulden, die auf unterschiedliche Weise zusammenkommen. Bei den einen sind es Leistungskürzungen der Arbeitsagentur (Arge) bei anderen zurückbehaltene und nicht gezahlte Löhne und Gehälter. Dazu kommen Kredite, die nicht mehr abgezahlt werden können. André Rossum schildert, dass es für die Betroffenen zum Teufelskreis werden kann, wenn Arbeitslosigkeit oder massive Partnerschaftsprobleme schrittweise zu einem Leben führen, das auf der Kippe steht.

Da ist zum Beispiel ein Ehepaar um die 50. Die Frau ist seit einem Jahr krankgeschrieben, bekommt Krankengeld. Ihr Arbeitgeber hat sie gekündigt. Auch ihr Mann ist ohne Arbeit. Seine eingeklagte Abfindung wird im Nachhinein von der Arge angerechnet. So muss die Familie allein von den 600 Euro Krankengeld der Frau leben, der Antrag auf Arbeitslosengeld eins wurde zunächst abgelehnt. Was kam, waren erste Mietschulden. Wohngeld können beide nicht beantragen, da bei der Arge ein Widerspruch läuft. Auch eine Befreiung von den GEZ-Gebühren (Fernsehen und Rundfunk) gibt es nicht und neue Anträge darauf und andere Hilfen können erst ab dem 1. Mai gestellt werden. Dann sind die zwölf Monate um, die die Familie von der Abfindung - 4200 Euro - hätte leben müssen. Und nun kürzlich fielen mit der Gesundschreibung der Frau auch noch die 600 Euro Krankengeld weg.

Dieser Fall, so André Rossum, ist typisch, wie schnell der Kreislauf des sozialen Abstiegs sein kann. Ein zweites Beispiel ist eine alleinerziehende Mutter, die schon als Kind am sozialen Rand lebte. Die Frau musste allein für den Unterhalt aufkommen, da ihr arbeitsloser Freund nichts dazugab. Inzwischen hat sie sich von ihm getrennt, kommt aber allein nicht aus der Schuldenfalle heraus. Und auch beruflich kam sie nicht weiter. Zwar absolvierte sie eine Ausbildung zur Verkäuferin, schleppte sich trotz starker Schmerzen zur Arbeit, aber wurde trotzdem nicht übernommen. Für die junge Frau ein Rückschlag, der ihr große Angst macht. Dennoch, so André Rossum, ist die Frau auf einem guten Weg, ihr Leben in geregelte Bahnen zu lenken. Hilfen dazu bieten ihr die Mobile Wohnberatung und andere Dienste der Caritas.

André Rossum weist im Gespräch immer wieder darauf hin, dass die angebotene Hilfe das Leben der Klienten ganzheitlich ändern müsse. Und da ist es oft wichtig, die betroffenen Personen direkt in ihrem Lebensumfeld zu beraten, um die Situation, in der sie sich befinden, zu erfassen. Von Stigmatisierungen und Schuldzuweisungen an die Betroffenen halten André Rossum und Anne Farra nichts. Zu dieser Haltung gehört auch, dass die Klienten selbst entscheiden, wo sie in Weimar leben wollen. Ein gedanklicher Automatismus, der sozial schwache Menschen ins Neubaugebiet Weimar-Schöndorf verweisen möchte, nehme den Menschen seine Würde und würde in Schöndorf nur dazu führen, dass die sozialen Probleme dort noch größer werden.

Um das Angebot der Mobilen Wohnungshilfe weiter zu verbessern, setzen die Sozialarbeiter künftig auch auf ehrenamtliche Hilfe - beispielsweise durch ehrenamtliche Paten aus den Kirchgemeinden, die ein Stück des Weges mit den Menschen in Not gehen können.

Von Holger Jakobi

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