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Eine Sternstunde mit Johanna

Entdeckungen im neuen Besucherzentrum der Herrnhuter-Sterne-Manufaktur

Herrnhut. Ein neues Besucherzentrum hat die Herrnhuter- Sterne-Manufaktur eröffnet. Gäste können dort zuschauen, wie der traditionelle Adventsschmuck hergestellt wird. Nebenbei erfahren sie, dass Herrnhuter Sterne weit mehr sind als eine stimmungshebende Saison-Dekoration.

Rund 240 000 Herrnhuter Sterne in diversen Ausfertigungen verlassen jährlich die Sterne-Manufaktur. Die Mitarbeiterinnen der Schauwerkstatt im Besucherzentrum stehen nicht so sehr unter dem Produktionsdruck wie ihre Kollegen hinter den Kulissen. Sie nehmen sich Zeit, den Besuchern - wie hier der achtjährigen Johanna (links) - jede Frage zu beantworten.

Aus adventlich geschmückten Wohnzimmern sieht man ihn leuchten, und viele Familien wissen irgendetwas zu erzählen über "ihren" gut gehüteten und mitunter seit Generationen weitervererbten Herrnhuter Stern.

Auch im Besucherzentrum der ostsächsischen Sterne-Manufaktur gibt es Stern-Geschichten zu hören und zu sehen: Die Firmengeschichte der Sterne-Manufaktur, veranschaulicht in Schaukästen und in einem Lehrfi lm, die Geschichte der eng mit den Sternen verbundenen Herrnhuter Brüdergemeine und nicht zuletzt all die persönlichen Geschichten, die sich die Gäste gern untereinander erzählen.

Die achtjährige Johanna reckt sich, Bleistift und rosafarbenen Notizblock in der Hand, zu einem der Schaukästen hoch und holt sich Rat bei der ähnlich ausgerüsteten Journalistin: "Was lohnt sich denn da noch abzuschreiben?" Für ihren Besuch in der Herrnhuter Sterne-Manufaktur hat die Drittklässlerin aus Wernigerode schulfrei bekommen - unter der Bedingung, dass sie ihren Mitschülern anschließend einen Vortrag über die Sterne aus Herrnhut hält. Bereits lange bevor die Sterne-Manufakturum die vorletzte Jahrhundertwende gegründet wurde, bastelten Internatsschüler der Herrnhuter Brüdergemeine zu Beginn der Adventszeit Papiersterne, kann Johanna auf einer der Tafeln lesen. Sie waren äußerlich kaum von den heute bekannten Herrnhuter Sternen zu unterscheiden, ließen sich allerdings nicht so leicht zerlegen und verschicken. Erstmals schriftlich verbrieft sind diese Internatsbasteleien für das Jahr 1821.

Besonders Kinder von Missionaren, die für die Brüdergemeine in alle Welt gezogen waren, verbanden mit dem Stern auch die Sehnsucht nach den Eltern. Die ließen ihrerseits afrikanische oder karibische Kinder auf ihren Missionsstationen das Krippenspiel unter einem Herrnhuter Stern spielen und fühlten sich dabei vereint m i t der Oberlausitzer Heimat. "Mein Opa war in Herrnhut im Internat", weiß Johanna zu berichten. Vom "Sterneln" - wie man das Sternebasteln in Herrnhut nennt - habe er aber nie etwas berichtet, ergänzt die mitgereiste Großmutter. "In der schweren Nachkriegszeit hatte man hier wahrscheinlich andere Sorgen", vermutet sie.

Dass fächerübergreifender Unterricht nicht erst eine pädagogische Erfi ndung unserer Tage ist, wird beim Rundgang durch die Ausstellung deutlich. Mindestens im Religionsunterricht, in Musik und Geometrie stieß man in früheren Zeiten in den Schulen der Brüdergemeine auf den Stern.

Die Schüler waren im Bilde über die symbolische Bedeutung des Sterns im Alten und im Neuen Testament, sangen Johann Schefflers Lied "Morgenstern auf fi nstre Nacht" und berechneten bei dem 25-zackigen "Klassiker" die siebzehn pyramidenförmigen und acht tetraederförmigen Zacken auf der Basis eines Rhombenkubotaeders.

Sozial- oder Wirtschaftskunde könnte den Fächerkanon für heutige Schüler ergänzen. Erwähnenswert ist beispielsweise, dass die Brüdergemeine ihren Anteil an den Gewinnen der Sterne-Manufaktur bis heute verwendet, um daraus soziale und missionarische Aktivitäten der Gemeinschaft zu fi nanzieren.

Johanna interessiert sich unterdessen mehr für den neuen Herrnhuter Stern, den ihre Mutter an der Verkaufstheke im Besucherzentrum aussucht. Das bisherige "gute Stück" der Familie hat beim Herumtoben einen verheerenden Tritt abbekommen. Der kleine Bruder war‘ s, sagt die Achtjährige.

Der Stern der Großmutter hingegen strahlt in ihrer Altbauwohnung in sicherer Höhe. Da sie nicht mehr auf die Leiter klettern und auch nicht jedesmal zum Auf- und Abhängen einen Helfer suchen mag, hängt er dort das ganze Jahr über und weckt bei Gästen und Vorübergehenden eine Mischung aus Erinnerung und Sehnsucht, die sie sich selbst oft gar nicht erklären können.

Das Besucherzentrum mit Filmvorführung, Ausstellung, Schauwerkstatt und Cafeteria ist in der Oderwitzer Straße 8 in Herrnhut montags bis freitags von 9-18 Uhr und samstags von 10-17 Uhr geöffnet.

Von Dorothee Wanzek



Zeittafel

Der Stern und die Brüdergemeine


Ab 1722: Graf von Zinzendorf (siehe Seite 19) ließ reformierte Flüchtlinge aus Böhmen und Mähren auf seinen Ländereien siedeln. Nach mehrjähriger Suche nach Formen gemeinsamen Lebens gründete er mit ihnen die Herrnhuter Brüder-Unität.

1728: Herrnhuter Losungen werden erstmals gezogen. Bis heute leben weltweit viele - vor allem evangelische Christen - mit den in Herrnhut ausgelosten täglichen Impulsen aus der Heiligen Schrift.

um 1890: Gründung der Sterne-Manufaktur durch Pieter Hendrik Verbeek

1950 Die Manufaktur wurde zwangsweise verstaatlicht und hieß fortan VEB Oberlausitzer Stern- und Lampenschirmfabrik

1968 Da die in Handarbeit hergestellten Sterne nicht ins Bild eines sozialistischen Betriebes passten, wurde der Betrieb an die Brüder-Unität rückübertragen, unterlag aber staatlichen Restriktionen

1990: Neugründung der Manufaktur unter dem Namen Herrnhuter Sterne GmbH

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