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Wo viel Licht ist, ist kein Schatten

Christsein muss erfahrbar sein

Der erste Johannesbrief, aus dem während der Osterzeit häufig in der Gottesdiensten gelesen wird, weisst inhaltlich viele Parallelen zur heutigen Gemeinde- und Kirchenwirklichkeit auf, meint P. Bernhard Kohl aus Leipzig.

Pater Bernhard Kohl Zugegeben: Der erste Johannesbrief, aus dem wir in der Osterzeit mehrere gottesdienstliche Lesungen hören, ist nicht gerade das, was man einen Bestseller nennen würde. Vermutlich gehört er sogar zu einem der am wenigsten gelesenen Texte des Neuen Testaments. Vielleicht verwundert es deswegen auch nicht, dass er erst Anfang des vierten Jahrhunderts - in quasi letzter Minute - in die Bibel aufgenommen wurde. Erklären kann man diese Tatsachen dadurch, dass der Brief sich durch eine Sprache und Gedankenführung auszeichnet, die modernen Menschen fremd ist. Auch seine Argumentationsführung strengt an: Sie erweist sich als kreisend, ja fast als zäh.

Und dennoch weist er inhaltlich viele Parallelen zu unserer heutigen Gemeinde- und Kirchenwirklichkeit auf: Schwierigkeiten des Einzelnen glaubhaft in der Nachfolge zu leben; Spannungen zwischen Gruppen innerhalb der Kirche; kirchliches Stufendenken. Darüber hinaus gibt es in der heutigen Kirche ähnliche Gedanken, Fragen und Vorstellungen wie zur Zeit der Johanneschristen: Wie kann man als Christ mit einer bunten Vielfalt von Philosophien und Weltanschauungen umgehen? Wie mit Glaubensformen, die aus allen möglichen Traditionen zusammengemischt werden? Wie mit Weltauffassungen, die einen Glauben an Gott völlig überflüssig erscheinen lassen? Der Ausgangspunkt für diese vielen Detailfragen war für den Verfasser des Johannesbriefes eine einzige zentrale Frage: "Woran können wir erkennen, dass wir auf dem richtigen Weg sind? Woran erkennen wir, dass wir uns in der wahren Nachfolge Jesu befinden?" Auf diese Frage hat der erste Johannesbrief eine klare Antwort parat: Den richtigen Weg erkennt man an den richtigen Handlungen. Beurteilungskriterium für einen Christen ist sein Handeln. Und hier wird der Brief noch konkreter. Richtiges christliches Handeln erweist sich in drei Schritten.

Erstens: Ein Mensch sollte sorgfältig die Möglichkeiten und Alternativen wahrnehmen, die sich ihm in seinem Leben bieten.

Zweitens: Er muss sich dann für eine dieser Möglichkeiten entscheiden. Wichtig ist dabei, dass diese Entscheidung Früchte im Leben zeitigt, im eigenen Leben bemerkbar wird.

Drittens: Ganz zum Schluss erst sollte man über diese eigene Entscheidung sprechen. Worte haben nur insofern Bedeutung, als sie von einem entsprechenden Handeln getragen sind.

Eine sehr direkte Anleitung für ein Leben im Glauben! Aber ich bin der Meinung, dass die eigentliche Qualität des Johannesbriefes in einem anderen Punkt liegt. Darin nämlich, dass er über alle Anleitung zum richtigen Leben das ermutigende Bekenntnis zu Jesus Christus als der menschgewordenen Liebe Gottes stellt: "Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch offenbart, dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben." (1 Joh 4,9) Der Verfasser des Johannesbriefes weiß genau, dass dort, wo so viel Licht ist, eigentlich kein Schatten mehr sein kann.

Pater Bernhard Kohl,
Dominikanerkloster St. Albert in Leipzig

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