"Eine Mischung, die uns gefällt"
Caritas lädt Familien in besonderen Lebenssituationen zu Begegnungs- und Bildungstagen ein
Bad Kösen. Gemeinsame Begegnungs- und Bildungstage haben kurz vor Weihnachten Familien, Alleinerziehende und Großeltern mit Kindern verbracht. Zu der Freizeit hatte der Diözesan-Caritasverband in seine Heimvolkshochschule in Bad Kösen eingeladen.
"Das bin ich" steht über dem heutigen Tag der Familienbegegungsund -bildungswoche in Bad Kösen. Während die 20 Kinder im Raum nebenan spielen, sollen die 18 Erwachsenen über ihre eigenen guten Seiten und Fähigkeiten nachdenken. "Das fällt mir gar nicht so leicht", sagt eine der Frauen in der Runde. "Ich habe mehr vor Augen, was ich nicht kann." Später sollen die Teilnehmer Kerzen gestalten und dabei aus farbigem Zierwachs Stichworte für vier gute persönliche Eigenschaften auf den Kerzen anbringen. In den nächsten Tagen sind die Mitteilnehmer dann eingeladen, die Stichworte auf den Kerzen durch weitere beobachtete gute Eigenschaften zu ergänzen.
"Anliegen der Familienbegegnung ist es, die Erziehungs- und Sozialkompetenz der Teilnehmer zu stärken. Dazu gehört auch, die eigenen Fähigkeiten ins Bewusstsein zu rufen", sagt Caritas-Sozialarbeiterin Cathleen Brand. Gemeinsam mit der pädagogischen Mitarbeiterin Laurentia Moisa von der Caritas-Heimvolkshochschule Konrad-Martin-Haus hat sie nach Bad Kösen eingeladen. Projektträger ist der Familienbund im Land Sachsen-Anhalt.
Voneinander lernen und Fähigkeiten stärken
Ingrid Mendel (56) und Tochter (13) sind bereits im zweiten Jahr unter den Teilnehmern. "Es ist schön, mal aus dem Alltag rauszukommen", sagt die Alleinerziehende, die aus Ballenstedt kommt. "Das Personal hier ist sehr freundlich, das Programm besteht aus einer bunten Mischung, die uns gefällt. Vormittags gibt es getrennte Angebote für Eltern und Kinder, nachmittags machen wir etwas gemeinsam." Auch Elfriede Schneider (77) ist zum zweiten Mal dabei. "Für mich ist das mein Urlaub", sagt Frau Schneider, die seit 13 Jahren in Halberstadt fast täglich die Wärmestube der Caritas aufsucht. Sie habe acht Kinder aufgezogen und nie in den Urlaub fahren können, erzählt sie. Zu den Tagen in Bad Kösen ist sie mit Enkelin und zwei Urenkeln angereist. Schon 2009 dabei waren auch Valentina Schiml und ihr dreijähriger Sohn aus Quedlinburg. Frau Schiml ist über die Stiftung Netzwerk Leben auf das Angebot aufmerksam gemacht worden.
Zu der Woche sind auf Einladung von Frau Brand auch Lydia Schindler (34), ihr Mann und ihre drei Kinder aus Halberstadt gekommen. "Für uns sind das Tage, um aus dem Stress auszusteigen, der vor Weihnachten herrscht,", sagt Frau Schindler. "Es ist schön, mal nicht kochen zu müssen. Wir sind aber auch dankbar für manche Anregung im Blick auf die Erziehung unserer Kinder."
Sozialarbeiterin Brand kennt die meisten der Familien bereits über einen längeren Zeitraum durch ihre Arbeit bei der Caritas oder über Netzwerk Leben und andere Partnerinstitutionen. Sie ist für viele der Teilnehmer Vertrauensperson. Insofern sei die Woche für eine Reihe der Teilnehmer ein Baustein im Rahmen längerfristiger Begleitung. So weiß Frau Brand etwa, dass einige Familien Hilfe bei der An- und Abreise mit dem Zug benötigen und hat die Kollegen der Bahnhofsmission um Unterstützung gebeten. Oder sie hat über Wochen in der Dekanatsstelle Halberstadt Winterkleidung und Schuhe gesammelt, um sie den Familien bei Bedarf zur Verfügung stellen zu können. Die Not sei eben sehr unterschiedlich.
"Im letzten Jahr ist zum Beispiel eine junge Mutter dabei gewesen, die Anleitung brauchte, angemessen für ihr Kleinkind zu sorgen, es zu füttern und zu Bett zu bringen", erzählt Laurentia Moisa. Während der Begegnungstage hätten Eltern Gelegenheit, von anderen Eltern zu lernen. "Die Kinder gehen auch mal zu den anderen Erwachsenen hin und ihre Eltern erleben, wie diese mit ihnen umgehen", so die pädagogische Mitarbeiterin. Zudem würden auch die Kinder durch Spiele angeleitet, aufeinander zuzugehen.
Vertrauen und nachhaltige Begleitung und Vernetzung
Den Eltern werde etwa durch ein Wahrnehmungsquiz während der Tage deutlich zu machen versucht, was es zum Beispiel für ein Kind bedeutet, Linkshänder zu sein, und so zu verstehen, warum ihrem Kind das eine oder andere schwerfällt. Oder sie werden dazu ermutigt, sich zu fragen, was ihr Kind gut kann und was ihrem Kind gut tut. Zur Gestaltung der Woche gehöre auch gemeinsames Singen oder das Tischgebet. Im Blick auf religiöse Akzente während der Tage gelte es allerdings eine gute Balance zu wahren, da eine Reihe der Teilnehmer keine Christen sind.
"Die Familienbegegnung mit Bildung" findet bereits zum vierten Mal in Bad Kösen statt, ein ähnliches Angebot gebe es in Kirchmöser, sagt Sozialpädagogin Moisa. Eingeladen seien besonders sozialbenachteiligte Familien und Familien in besonderen Krisensituationen. Die Teilnehmer zahlen einen symbolischen Beitrag von 28 Euro pro Erwachsener und 15 Euro pro Kind für die Woche. Doch auch dies sei für manche Familien schon nicht ganz leicht aufzubringen. Das Angebot werde vom Land Sachsen-Anhalt, aber auch durch die Stiftung Netzwerk Leben und Spenden mitfinanziert.
Nach dem Gestalten der Kerzen zum Thema eigene Fähigkeiten gibt es an diesem Vormittag noch eine zweite kreative Aufgabe: Die Teilnehmer sind eingeladen, sich mit Hilfe ihrer Mitstreiter eine persönliche Gipsmaske anzufertigen. Das erfordert Geduld, eine ganze Weile unter dem Gips auf dem Gesicht auszuhalten. Und es verlangt Vertrauen gegenüber den anderen, die beim Modellieren der Maske auf dem eigenen Gesicht herumhantieren, bis sie fertig ist. Am Nachmittag wird dann ein gemeinsamer Ausflug nach Naumburg unternommen.
Von Eckhard Pohl