Den goldenen Spuren folgen
Religiöse Erziehung im katholischen Kinderhaus Bautzen
Bautzen. Seit dem 6. Januar heißen die Gruppen im Bautzner Montessori-Kinderhaus nicht mehr Pilze, Käfer oder Schmetterlinge. Stattdessen tragen sie Heiligennamen. Eine Neuerung, auf die das Pädagogenteam die Kinder wochenlang vorbereitet hat.
Die Flur- und Treppenfußböden im Montessori-Kinderhaus sind neuerdings von goldenen Fußspuren durchzogen. Beginnend im Foyer, wo bis vor wenigen Tagen die Weihnachtskrippe aufgebaut war, führen die glitzernden Kinderfuß- Umrisse zu den Gebetstischen in jedem der fünf Gruppenräume, in die Küche und sogar in den Keller. "Gott kommt Weihnachten als Kind zu uns. Er kommt wirklich, und er will unter uns bleiben, auch in unseren Gruppen", wollten die Erzieherinnen den Kindern bildhaft nahebringen.
Bei einer Krippenfeier nach Weihnachten bekam jede Gruppe ein Schatzkästchen mit kleinen goldenen Fuß-Aufklebern überreicht. Nachdem die Spuren im ganzen Haus gelegt waren, brachten die Sternsinger am 6. Januar ein weiteres Geschenk mit: die neuen Gruppennamen. Lucia, Elisabeth, Franziskus, Maria und Christophorus sollen den Kindern fortan Vorbilder sein. Welche Folgen kann es haben, wenn Gott im eigenen Haus lebt? Davon sollen die Mädchen und Jungen durch die Lebensgeschichten der Heiligen eine Ahnung bekommen. Bereits Wochen zuvor hatten die Erzieherinnen begonnen, Heilige auszuwählen, deren Lebenserfahrung schon kleinere Kinder nachvollziehen können. Mit Symbolen und Erzählungen machten sie die Geschichten der künftigen Gruppenpatrone anschaulich. Die heilige Elisabeth beispielsweise wurde den Kindern der Pilzgruppe über die Symbole Krone, Brot und Rosen vertrauter. Sie erfuhren, wie die Heilige sich um Arme und Kranke kümmerte und hörten die bekannte Rosenlegende. Auch die Eltern waren zuvor durch ein eigenes Informationsblatt über die geplante Namensgebung informiert worden. "Heilige sind Menschen, die Gottes Licht unter den Menschen sichtbar machen", heißt es auf dem Blatt, bevor die ausgewählten Frauen und Männer in Kurzbiografien vorgestellt werden. "Wir staunen immer wieder, wie intensiv die Kinder diese Impulse aufgreifen", sagt Kinderhaus-Leiterin Gerda Panglisch.
Dass ihre Namenspatrone anderen Menschen helfen und ihnen etwas Gutes tun wollten, haben viele Kinder bereits verinnerlicht. Manche lassen ahnen, dass die Heiligenlegenden für sie mehr sind als nette Geschichten, sondern dass sie durchaus etwas mit ihrem eigenen Leben zu tun haben. Der vierjährige Franz- Ferdinand aus der Christophorus- Gruppe erzählt, wie er seine kleine Schwester hochgehoben hat, als sie eine hohe Treppenstufe nicht allein überwinden konnte - fast wie der heilige Christophorus, der Reisende durch einen Fluss getragen haben soll. Mit einem professionellen Holzschnitzer werden die Kinder demnächst eine Statue des Heiligen für ihren Gruppenraum schnitzen. "Wenn Mama was Süßes für ein Geschenk braucht, gebe ich ihr was aus meiner Naschkiste ab", berichtet Ephraim aus der Elisabeth-Gruppe. Besonders hat den Sechsjährigen gefreut, dass zur Feier des neuen Namens jedes Kind in seiner Gruppe eine Rose geschenkt bekam. Dass seine langsam zu verwelken beginnt, findet er nicht weiter tragisch: "Mama sammelt alle Blätter, die abfallen und trocknet sie."
Dass die Lebensgeschichten von Elisabeth, Christophorus und den anderen Heiligen den Bautzner Montessori-Kindern tief ins Herz gefallen sind, hängt wohl auch damit zusammen, dass die Namensänderung eingebettet war in ein religionspädagogisches Konzept, das im Kinderhaus den Jahreskreis durchzieht. Jeden Montag treffen sich alle Kinder, Mitarbeiter und Gäste des Hauses im Foyer oder manchmal auch im Freien zu einem Morgenimpuls nach der Methode von Franz Kett, der auf kindgerechte Weise zur Auseinandersetzung mit Gott und der Welt einlädt. In diesem Jahr durchzog die Feuer- und Lichtsymbolik die adventlichen und weihnachtlichen Impulse wie ein roter Faden. Die Entdeckung der Heiligen als Gestalten des Lichts fügte sich für die Kinder wie ein Stein in ein großes Mosaik.
Von Dorothee Wanzek