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Ökumene - wie weiter?

Interview mit dem ehemaligen Regionalbischof Hans-Wilhelm Pietz

Görlitz. In welchem Amt auch immer, als Pfarrer der evangelischen Gemeinde in Forst , als Regionalbischof des Sprengels Görlitz oder nun als Spiritualitätsbeaftragter seiner Kirche: Dr. Hans-Wilhelm Pietz setzt sich für ein gutes Miteinander zwischen evangelischen und katholischen Christen ein.

Verabschiedung von Dr. Pietz (Mitte) als Vorsitzender der Evangelischen Kulturstiftung Görlitz. Das Bistum vertritt in der Stiftung Dieter Gleisberg (links), die Stadt Joachim Rudolph.

Herr Dr. Pietz, was war während Ihrer Amtszeit als Regionalbischof für Sie hinsichtlich der Ökumene besonders prägnant?

Ein Aha-Erlebnis hatte ich bei der Beschäftigung mit einer Fastenpredigt von Bischof Konrad Zdarsa. Er verwies darin auf Martin Luthers Einsicht, dass das ganze Leben eines Christen Umkehr und Buße sein soll. Christsein heute braucht glaubwürdige Erneuerung des Denkens, des Lebens: also Buße.

Die Einheit der Christen ist das Ziel der Ökumene. Welche Schritte müssen gegangen werden?

Ich orientiere mich an den Leitlinien für die Zusammenarbeit unter den Kirchen in Europa, an der "Charta Ökumenika". Darin wird uns die Freude am Gemeinsamen nahegebracht: Der Glaube an den dreieinigen Gott, die Nachfolge Christi, das gemeinsame Beten und Singen. Die Praxis und die Texte der anderen Konfession mit Neugier und Lust zu studieren und in Offenheit auf die Entfaltung des einen Glaubens bei den Anderen zu achten, darin liegen große Chancen für ein gutes Miteinander. Von Bedeutung für uns alle ist das gemeinsame Erbe, wie etwa die franziskanische Tradition oder das Leben und Wirken der heiligen Hedwig, die bei uns hier in Görlitz so präsent sind. Eine große Hoffnungskraft, von der viele erzählen können, geht von den Taizéliedern aus. Ich wünsche mir, dass wir solche Schätze noch stärker pflegen und etwa auch das Stundengebet in ökumenischer Gemeinsamkeit öffentlich mitvollziehbar feiern.

Christen beider Konfessionen bilden in der Gesellschaft in Ostdeutschland die Minderheit. Welche Chancen sehen Sie darin?

Gerade der verbreitete praktische Atheismus ist eine besondere Herausforderung. Er ist ein großer Gleichmacher und Graumacher, der das Staunen und die Ehrfurcht verlernen lässt. Sich dagegen als Christ zu zeigen und zu bekennen, ist schwer und zugleich schön. Das braucht und das vermittelt Mut. In der Diaspora kann man die Schätze des Glaubens oft eindrücklich erkennen. Ich habe das in Görlitz beispielsweise durch Roland und Elisabeth Antkowiak erfahren. Ich bin sehr dankbar dafür, den entschlossenen Einsatz von Roland Antkowiak für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung erlebt zu haben. Die Gedichte, die Elisabeth Antkowiak uns nahegebracht hat, gehören zu meinem Seelenproviant.

Wie kann das Trennende überwunden werden?

Zunächst einmal brauchen wir Respekt vor der jeweiligen Prägung. Wir kommen einander nicht näher, wenn wir die vorhandenen Unterschiede wegwischen. Wir müssen sie im Sinne des Evangeliums bearbeiten, sie solange ins Licht des Evangeliums stellen, bis wir sie tiefer verstehen oder überwinden lernen. Wie Christus der Beter ist, der ruft, dass sie alle eins seien, so dürfen wir im Gebet um die Einheit nicht nachlassen. So könnten wir auch die Feier gemeinsamer Wortgottesdienste am Sonntag intensivieren.

Welche Potentiale stecken in dem, was unstreitig ist und was wird versäumt an Gemeinsamkeiten?

Es wäre zum Beispiel gut, wenn es gelingen könnte, gemeinsam bei den polnischen Nachbarn in der Ökumene Gesicht zu zeigen - das christliche Gesicht, das den Menschen in katholischer und evangelischer Prägung begegnet. Das Bistum Görlitz und der Sprengel Görlitz der evangelischen Kirche haben die Aufgabe, für die ökumenische Öffnung bei den polnischen Nachbarn einzutreten. Das gegenseitige Kennenlernen, gemeinsame Bildungsveranstaltungen und gemeinsames Feiern sind ebenso wichtig wie Gebete und Andachten, bei denen deutlich wird: Wir grenzen uns nicht voneinander ab und lassen uns nicht gegeneinander ausspielen.

Was sollte vom Katholischen in der evangelischen Kirche übernommen werden?

Ich denke: Vor allem das Wissen darum, dass der Glaube Übung braucht, Form und Haltung. Manche denken heute: Zu übernehmen wären vor allem äußerliche Formen wie zum Beispiel die liturgischen Gewänder. Aber die sind in der Reformation zumeist gar nicht abgeschafft worden. Bis in das 18./19. Jahrhundert haben sie ihren Platz gehabt.

Wenn heute daran angeknüpft wird, wenn wir den Gottesdienst als darstellendes Handeln neu verstehen lernen, dann ist das gut. Dabei gilt die Regel: Alles, was dazu hilft, dass wir uns mit Leib, Seele und allen Sinnen vor Gott einfinden, ist eine Hilfe. Alles, was nur Effekthascherei oder Ablenkung ist, was keine Substanz hat, sollte unterbleiben.

Was macht einen guten Bischof (Hirten, Brückenbauer) aus, wie muss er sein?

Er muss zuhören können, selber zuerst Hörer sein. Er muss Freude daran haben, in der Bibel Kraft für den Alltag zu finden. Der Bischof muss die Menschen lieben, gerade in ihren Grenzen und Begrenzungen. Er sollte ein Mensch sein, der im Beten das abgeben kann, was ihm das Amt auferlegt. Der Bischof lebt von Fürbitten, den Gebeten, dem Zuspruch, den Gesten der vielen in den Gemeinden.

Die Fragen stellte Raphael Schmidt

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