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Hilfe für einen Neuanfang

30 Jahre Interdiözesanes Offizialat Erfurt / Jährlich bis zu 40 Ehenichtigkeitsverfahren

Erfurt. Seit 30 Jahren gibt es in Erfurt das Interdiözesane Offizialat. Es ist in der katholischen Kirche unter anderem zuständig für die Auflösung ungültiger Ehen.

Heinz Gunkel leitet das Interdiözesane Offizialat in Erfurt.

Eigentlich ist Heinz Gunkel ja für das Ende von Ehen zuständig. Als Offizial leitet er in Erfurt die Einrichtung der katholischen Kirche, in der unter anderem die Nichtigkeit katholischer Ehen festgestellt wird: das Interdiözesane Offizialat. Die Rede vom Ende einer katholischen Ehe oder gar einer katholischen Scheidung ist dabei allerdings nicht korrekt, denn: "Eine gültig geschlossene und vollzogene Ehe zwischen zwei katholischen Christen kann von keinem Menschen aufgelöst werden." Es ist aber durchaus möglich, dass eine solche Ehe gar nicht erst gültig zustande gekommen ist. Und in solchen Fällen ist eine so genannte Ehenichtigkeitserklärung möglich, die es beiden Partner erlaubt, sich nach dem Scheitern der ersten Ehe erneut kirchlich trauen zu lassen. Ob eine Ehe nichtig war und so von Anfang an gar nicht bestand, wird in einem Prozess geklärt. Und dafür ist Heinz Gunkel mit seinen Mitarbeitern zuständig.


Weil Heinz Gunkel sich seit Anfang der 1990er Jahre unter diesem Blickwinkel mit Ehen beschäftigt, ist ihm deutlich geworden, dass noch mehr als bisher der Blick auf den Anfang einer Ehe gerichtet werden muss. "Natürlich kann man nicht am Anfang einer Beziehung und einer Ehe gleich auf deren Ende sehen, aber wir stellen in unserer Arbeit immer wieder fest, das in vielen Ehen von Anfang an etwas nicht stimmt. Deshalb müsste die Ehevorbereitung noch viel stärker ein Thema in unseren Gemeinden, vor allem in der Jugendarbeit werden", sagt Gunkel. Und weil ihm das ein so wichtiges Anliegen ist, hat er selbst die Initiative ergriffen: In den letzten Monaten liegen in vielen Gemeinden nicht nur Faltblätter aus, mit denen Gunkel unter der Überschrift "Ein neuer Anfang mit der Kirche" über das kirchliche Ehenichtigkeitsverfahren informiert, sondern in einer ähnlichen Aufmachung - statt der Rosette eines gotischen Kirchenfensters ist auf dem Titelbild das Portal einer Kirche zu sehen - geht es in einem zweiten Faltblatt unter der Überschrift "Kirchlich heiraten - wir trauen uns" um rechtliche, theologische, aber auch spirituelle Fragen der katholischen Eheschließung.

Immer wieder hören Gunkel und seine Kollegen in den Ehenichtigkeitsprozessen von Betroffenen, jetzt hätten sie das erste Mal richtig über ihre Ehe sprechen können und nun wüssten sie auch, wo der Grund des Scheiterns zu finden sei. "Das ist wichtig für eine eventuelle neue Beziehung", sagt Gunkel. Aber vieles davon hätte eigentlich seinen Platz in Gesprächen vor der Ehe. Gerade in Zeiten, in denen Fernsehserien den Eindruck erwecken, als gebe es gar keine normalen ehelichen Beziehungen mehr, sieht Gunkel hier eine wichtige Aufgabe für die Kirche.

Jährlich werden im Interdiözesanen Offizialat Erfurt, das in erster Instanz für die Bistümer Dresden-Meißen, Erfurt, Görlitz und Magdeburg zuständig ist, 20 bis 40 Ehenichtigkeitsverfahren mit einem Urteil beendet. Beim Blick in die Statistik hat Gunkel festgestellt, dass gemessen an der geringen Katholikenzahl in seinem Offizialat die meisten Prozesse stattfinden. Das ist für ihn ein gutes Zeichen. Warum? "Das zeigt, dass die kirchliche Bindung derer, die in unserer Region noch Christen sind, und ihr Wunsch, nach der kirchlichen Ordnung zu leben, noch so groß ist, dass viele im Falle eines Scheiterns ihrer Ehe und des Beginns einer neuen Partnerschaft auch einen ehrlichen Neuanfang mit der Kirche suchen." In vielen anderen Regionen sei das längst nicht mehr so. Und von den dann praktizierten pastoralen Lösungen für wiederverheiratete Geschiedene hält Gunkel nichts.

Noch eine zweite statistische Besonderheit gibt es im Erfurter Offizialat. "Hier wird etwa die Hälfte aller so genannter Verfahren zur Eheauflösung zugunsten des Glaubens durchgeführt." Der Grund dafür liegt in der hohen Zahl der Ungetauften in der Region. "Bei der Eheauflösung zugunsten des Glaubens geht es darum, dass ein bis dahin Ungetaufter die Auflösung seiner ersten Ehe anstreben kann, wenn er einen katholischen Partner heiraten will", erklärt Gunkel. "Hier gibt es allerdings sehr strenge Kriterien und keinen Rechtsanspruch." Von diesen Verfahren finden in Erfurt jährlich etwa 20 statt. Weil das Erfurter Offizialat hier so viele Erfahrungen hat, wird es am 1. Juli einen entsprechenden Studientag zu diesem Thema geben. Damit wird dann zugleich das 30-jährige Bestehen der Einrichtung gefeiert.

Von Matthias Holluba

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