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Nicht alles selber machen müssen

Gedanken über das Zurücktreten

Zurückzutreten oder zurücktreten zu müssen, ist oft schmerzlich. Aber ein Rücktritt kann auch die Möglichkeit bieten, einen sorgloseren Blick zu gewinnen, meint Sr. Susanne Schneider von der Kontaktstelle Orientierung in Leipzig.
Schwester Susanne Schneider

"Heute ist der Minister, Vorsitzende, Sekretär Meier von seinem Amt zurückgetreten …" Nachrichten dieser Art können wir in den Medien immer wieder lesen oder hören. Da hat einer genug oder andere haben von ihm genug und er muss seinen Posten räumen.

Jemand tritt aus der ersten Reihe zurück und kommt so wieder unter die Leute, die nicht exponiert im Zentrum stehen und weniger Verantwortung tragen. Jetzt gehört er auch zu jenen, die nicht das Tagesgeschäft bestimmen, sondern von ihm bestimmt werden.

Dieser Macht- und Einflussverlust wird von vielen Menschen als sehr schmerzlich erlebt. Bisher stand man im Rampenlicht, bezog einen großen Teil seines Selbstwertgefühls aus der Arbeit, und plötzlich hat man das Gefühl, unnütz, nichts mehr wert zu sein. Viele Männer erleben diesen Schritt beim Übergang in das Rentnerdasein als demütigend. Auch Arbeitslosigkeit kann Menschen auf die Dauer zermürben.

Im Kleinen geschieht das auch in unserem Alltag: Da bekommt eine Mutter endlich wieder ein Arbeitsangebot, muss aber dafür die Kinder in den Händen einer Tagesmutter lassen; eine Aufgabe konnte wegen plötzlicher Krankheit nicht mehr erledigt werden und muss an einen anderen übergeben werden; eine lange aufgeschobene Entscheidung nimmt uns der Lauf der Dinge plötzlich aus den Händen ...

Immer wieder treten wir zurück und erleben dann, dass es auf eine andere Weise weitergeht, meist so, wie wir uns das nicht vorgestellt haben. Denn zurückzutreten kann durchaus voranbringen. Wer sich von einem anstehenden Problem ein Stück entfernt, indem er einen Schritt rückwärts tut, dem zeigt sich die Sache oft in neuem Licht. Im Französischen heißt das: "reculer pour mieux sauter" - Anlauf nehmen oder zurücktreten, um besser springen zu können. Wer zurücktritt wird frei von der Sorge, alles selbst tun zu müssen. Denn das kann sowieso niemand. Und manchmal bietet auch ein unfreiwilliges Zurücktreten die Möglichkeit, einen sorgloseren Blick zu gewinnen. Etwas aus der Hand zu geben und zu vertrauen, dass es trotzdem gut wird, ist nicht nur eine menschliche, sondern auch eine spirituelle Herausforderung. Da kann die Erfahrung des Psalmbeters hilfreich sein: "Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut." (Ps 127).

Schwester Susanne Schneider, Missionarinnen Christi, Kontaktstelle Orientierung, Leipzig

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