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Die Kraft, die lebendig macht

Die Leipziger Studentengemeinde widmete einen langen Gesprächsabend dem Thema Sexualität

Leipzig. Wie der christliche Glaube den Umgang mit der eigenen Sexualität prägt, war kürzlich Thema eines spannenden und offenen Gesprächsabends in der Katholischen Studentengemeinde in Leipzig.

Wer als Christ sein gesamtes Leben aus dem Glauben heraus gestalten möchte, kann eine solch elementare Lebenskraft wie die Sexualität nicht einfach ausklammern, klang am 14. Januar bei fast allen Wortbeiträgen in der Leipziger Studentengemeinde durch. Doch fast ebenso gegenwärtig war die Klage: Wie schwer ist es doch, bei diesem Thema in den katholischen Gemeinden gute Gesprächspartner zu finden!


Grundanliegen der katholischen Sexualmoral sei es, Menschen zu einem erfüllten Leben zu verhelfen, machte Professor Berthold Wald, Philosoph an der Katholischen Fakultät Paderborn, in seinem Referat deutlich. Wer etwa Leib und Seele, Sexualität und Liebe voneinander abkopple, finde nicht dauerhaftes Lebensglück, sondern Enttäuschung. Wenn Liebe, die Grundkraft des Menschen, auf die eigene Person bezogen bleibe, könne sie zerstörerisch wirken.

Professor Wald räumte zugleich ein, dass sich die fürsorglichen Ambitionen der Kirche und ihre bejahende Sicht auf die menschliche Sexualität nicht unbedingt von allein erschließen. Dass die öffentliche Wahrnehmung katholischer Positionen zu diesem Thema sich unter dem Etikett "Spaßbremse" zusammenfassen lässt, hänge auch damit zusammen, dass die Kirche ihre Sexualmoral lange Zeit vorrangig aus der Perspektive der Sünde und weniger vom Bild gelingenden menschlichen Lebens her vermittelt habe.

Den Studierenden bescheinigte der Paderborner Philosoph eine hohe Sensibilität für eine ganzheitliche Sicht der Sexualität. Zum Einstieg in den Abend hatten junge Frauen und Männer auf die Frage geantwortet, was ihnen im Hinblick auf die eigene Sexualität heilig sei. Fast alle Studenten brachten dabei (siehe unten) ihre Sehnsucht nach lebenslanger liebevoller Hingabe an einen einzigen Partner zum Ausdruck. "Christen sind kontextsensitive Menschen. Ein paar Straßenzüge weiter hätten Sie auf diese Frage ganz andere Antworten bekommen", kommentierte Berthold Wald.

Von dem Angebot, im Anschluss an sein Referat kritische Rückfragen zu stellen, machten die Studenten eher verhalten Gebrauch, widmeten sich dafür später aber umso intensiver dem Gespräch in Kleingruppen. "Es kann doch nicht im Sinne der Kirche sein, dass wir ihren Geboten und Handlungsempfehlungen blind folgen", warf eine Studentin in der offenen Diskussionsrunde ein und stieß damit bei Professor Wald auf Zustimmung. Dass die hinter den Geboten liegende Intention erkannt werde, bedeute der Kirche viel. Im Blick auf die Anwendung künstlicher Verhütungsmittel beispielsweise habe die Deutsche Bischofskonferenz ausdrücklich die Verantwortung der Paare betont.

Wie wichtig es ist, dass Partner gerade beim Thema Sexualität das Gespräch miteinander nicht abreißen lassen, kam in dem persönlichen Lebenszeugnis eines Thalheimer Ehepaars zum Ausdruck. Edith und Angelo Thasler, die bereits seit mehr als 20 Jahren ein Paar sind, gaben Einblicke in ihrem gemeinsamen Weg vor und nach der Hochzeit. Dabei erzählten sie unter anderem auch, welche Werte ihnen in ihrem Miteinander wichtig waren.

Angelo Thasler erwähnte dabei seine damalige Lieblingslektüre, den "Kleinen Prinzen" von Antoine de Saint-Exupéry. Beim näheren Kennenlernen erinnerte er sich an die Stelle, als der kleine Prinz den Fuchs zähmt: "Jeden Tag wird er sich ein Stückchen näher setzen können", heißt es im Buch, und: "Du bist verantwortlich für das, was du dir vertraut gemacht hast."

Die Verantwortung, die damit verbunden ist, sich einander ganz hinzugeben, sei dem Paar in der Zeit des Kennenlernens sehr bewusst geworden. Mit dem Vertrauen und der Zuneigung wuchs dann auch der Wunsch, sich körperlich näher zu sein. Darüber zu sprechen, kostete zunächst Überwindung, war aber für beide Partner hilfreich: "Wir waren froh, uns gemeinsam eine Grenze gesetzt zu haben." Gegenseitige Achtung, Freude und innere Zuneigung begleiteten sie nach dem Gespräch. Einander zuzuhören, sich auszutauschen und den anderen im Blick zu haben, hilft ihnen bis heute, ihre Beziehung verantwortlich und froh machend zu gestalten.

"Warum habe ich all dies in der Kirche nie zuvor gehört?", fragte ein Student gegen Ende des Gesprächsabends. Studentenpfarrer Clemens Blattert SJ rief den Diskussionsteilnehmern ins Bewusstsein, dass sie selbst Kirche sind und folglich dazu beitragen, wie kirchliche Positionen in ihrem Umfeld wahrgenommen werden. Er ermutigte sie, die Würde, Größe und Heiligkeit jedes Menschen nicht aus dem Blick zu lassen und dafür einzutreten.

Von Dorothee Wanzek



Zitiert

Was ist dir im Blick auf deine Sexualität heilig? - Studenten antworten

Brigitte: Der Respekt vor meinen Gefühlen und denen meines Partners ist mir wichtig, denn die Verletzlichkeit in diesem Bereich ist groß. Außerdem Ehrlichkeit, Offenheit, Spaß für mich und den Partner, das Vertrauen, mich fallen lassen zu können und der andere fängt mich auf.

Damian: "Schlaf mit so vielen Frauen wie du nur kannst. Das wird dir ein Selbstbewusstsein geben, das du nirgendwo anders findest." Diesen "guten" Rat eines Bekannten habe ich kategorisch ausgeschlagen. Beziehung braucht Zeit, Vertrauen und Respekt.

Kathrin: Ich möchte, dass es für den Rest meines Lebens nur der eine Mensch ist, mit dem ich eine sexuelle Beziehung habe. Eva-Maria: Ich habe da so eine innere Testfrage: "Kannst du dir vorstellen, mit diesem Mann ein Kind zu haben?" Wenn ich die nicht bejahen kann, ist auch eine sexuelle Beziehung für mich nicht vorstellbar. Liebe sollte etwas tragen können.

Fabian: Aus dem christlichen Glauben heraus wurde mir ein Partnerschaftsideal von einer stabilen monogamen Beziehung vermittelt, die mir gerade als Heranwachsender Orientierung gab. Jetzt sehe ich aber auch, dass die kirchliche Tradition leibfeindlich zu sein scheint: Sexualität ist schmutzig, ein Sündenrisiko, der einzige Zweck ist die Reproduktion. Ich würde mir wünschen, diese beiden Facetten besser zu einem Bild zusammenzubringen.

Tina: Vor der Entscheidung, mit einem Mann zu schlafen, steht für mich die Entscheidung für Dauerhaftigkeit. Das sage ich gerade nach einer Enttäuschung. Es ist schwer, nach einer Verletzung wieder neues Vertrauen aufzubauen. Als Verhütungsmethode kommt für mich nur die Natürliche Familienplanung in Frage. Die Möglichkeit der Weitergabe des Lebens gehört für mich zur Liebe dazu und auch die Fähigkeit, den anderen so anzunehmen, wie er ist.

Johannes: Ich möchte mir ganz sicher sein, in einer intimen Beziehung nicht verletzt zu werden und nicht zu verletzen. 100 Prozent sicher kann man sich natürlich nie sein. Die Ehe scheint mir da aber ein guter Ansatzpunkt, die Liebe zwischen zwei Partnern, die sich einander total öffnen und hingeben, zu schützen. Wichtig ist es, dass die Partner miteinander darüber sprechen. Ich selbst möchte versuchen, bis zur Ehe zu warten. Aber nicht einfach, weil der Papst es so sagt. Als Christ bin ich frei, in der Sexualmoral und in allen Entscheidungen.

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