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Anstoß

Unsere Schritte und Taten zu zählen, lehre uns!

Marko Dutzschke

Oft liest man in den Evangelien von Auseinandersetzungen zwischen Jesus und den Pharisäern. Jesus gerät mit den Lehrern des Glaubens aneinander, weil er sich und seinen Glauben nicht von den Pharisäern und ihren Vorschriften abhängig macht. Ein Dauerbrenner in diesem Streit ist die Frage nach dem Sabbat. Die Jünger Jesu reißen am Sabbat Ähren ab, Jesus heilt Frauen und Männer und empfiehlt, eine Kuh zu retten, auch wenn sie am Sabbat in den Brunnen gefallen ist. Das ist Arbeit, und die ist am Sabbat ausdrücklich verboten.

Die Thora verpflichtet alle Israeliten, den Sabbat als einen Tag des Herrn heilig zu halten: "Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun." (Exodus 20,10) Die Pharisäer treiben dieses Gebot mit ihren spitzfindigen Auslegungen und zahlreichen Sabbatvorschriften auf die Spitze. Ein frommer Jude muss buchstäblich seine Schritte zählen, um dem Sabbatgebot gerecht zu werden.

Jesus stellt sich nicht gegen den Sabbat, wie seine Gegner unterstellen. Es geht ihm darum, die Freiheit des Menschen und den Sinn des Sabbats gegen einen Buchhalterglauben zu behaupten. Damit steht Jesus nicht allein. In einem Wort Rabbi Simeon ben Menasjas ist die gleiche Haltung zu finden, mit der Jesus den engstirnigen Pharisäern begegnet: "Siehe, der Sabbat ist euch übergeben, nicht ihr seid dem Sabbat übergeben." Das Gesetz ist Weisung zum Leben. Ruhe und Erholung sind nicht Pflicht sondern lebendiges Geschenk Gottes.

Um die Weisung Gottes für den modernen Menschen fruchtbar zu machen, würde Jesus heute vielleicht ein anderes Zeichen setzen. Vielleicht würde er uns geradezu empfehlen, unsere Schritte zu zählen. Dabei denke ich an einen Vers aus Psalm 90, den man ruhig so übersetzen kann: "Unsere Schritte und Tage zu zählen, lehre uns! Dann gewinnen wir ein weises Herz!" (Psalm 90,12) Die Tage und Schritte zu zählen heißt, im Blick zu behalten, womit wir unser Leben anfüllen. Vermutlich wären wir überrascht, mit wie vielen vergeblichen Schritten unsere Tage angefüllt sind. Vergeblich, weil ein Ereignis dem Nächsten folgt, eine Veranstaltung die nächste jagt und eine Pflicht von der nächsten eingeholt wird. Der Tag des Herrn wird so zum Tag der Verpflichtungen.

Auf diesem Hintergrund möchte ich das Wort des Rabbis übertragen: "Siehe, der Tag des Herrn ist euch übergeben, damit ihr euch Ruhe und Erholung geben lasst." Wir haben ihn mit unzähligen Ereignissen angefüllt. Es käme darauf an, die Ereignisse mit mehr Leben zu füllen.

Und was hier für den Tag des Herrn gesagt ist, lässt sich ohne weiteres auf alle Tage unseres Lebens übertragen. Für jeden Tag gilt: Unsere Schritte und Tage zu zählen, lehre uns, o Herr!

Kaplan Marko Dutzschke, Cottbus

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