Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!

Als Christen politisch handeln

Kirchen ermutigen im Vorfeld der Landtagswahl zu Engagement, Realitätssinn und Respekt

Magdeburg. In einem gemeinsamen Wort vor der Landtagswahl ermutigen die leitenden Geistlichen der großen Kirchen in Sachsen-Anhalt alle Wähler zum aktiven Engagement für das demokratische Miteinander und fordern die Politiker zu Ehrlichkeit und Transparenz in ihrer Arbeit auf.

Bischof Gerhard Feige, Bischöfin Ilse Junkermann und Kirchenpräsident Joachim Liebig bei der Vorstellung ihres Wahlraufrufs. Ganz links Bistums-Pressesprecher Thomas Lazar.

Die Sorge vor einer nur geringen Wahlbeteiligung, die weit verbreitete Politikverdrossenheit und Befürchtungen vor einem weiteren Erstarken extremistischer Gruppierungen hat die leitenden Geistlichen der Kirchen in Sachsen- Anhalt dazu veranlasst, sich mit einem gemeinsamen Wort an die Öffentlichkeit zu wenden. Am 26. Januar stellten sie ihre Erklärung in Magdeburg vor Journalisten vor.

Gut acht Wochen und damit relativ zeitig vor der Landtagswahl erinnern Bischof Gerhard Feige, Landesbischöfin Ilse Junkermann von der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Landesbischof Friedrich Weber von der Evangelisch- Lutherischen Landeskirche in Braunschweig und Kirchenpräsident Joachim Liebig von der Evangelischen Landeskirche Anhalts daran, dass Demokratie von Vielfalt und Beteiligung möglichst vieler lebt. Zwar sei die Demokratie eine Gesellschaftsordnung mit Mängeln, räumte Bischöfin Junkermann bei der Vorstellung der Erklärung im Magdeburger Roncalli-Haus ein. Die demokratische Ordnung berücksichtige aber wichtige Dimensionen des Menschseins und des biblischen Menschenbildes, wenn sie zum Beispiel auch mit der Fehlbarkeit des Menschen rechne. Weil Menschen Fehler machten und diese immer wieder korrigiert werden müssen, brauche und ermögliche die Demokratie "permanenten Diskurs und Interessenausgleich".

Die Demokratie weiß um die Fehlbarkeit des Menschen

Am Ringen um die besten Wege und das Wohl der Menschen sollten sich möglichst viele Bürger beteiligen. Sie sollten sich vor allem selbst eine politische Meinung bilden und nicht zuletzt die Wahlen "als Gelegenheit begreifen, sich in die Gestaltung unserer Wirklichkeit einzubringen".

Weil wichtige Werte des Zusammenlebens auf Kernaussagen des christlichen Glaubens beruhen, sehen die Geistlichen die Christen besonders herausgefordert: Als zur Wahl stehende Kandidaten und als Wähler sollten gerade sie für Werte wie Menschenwürde oder Toleranz, die in der eigenen Identität begründet ist, einstehen. Insofern seien die Gemeinden zum Beispiel auch gefordert, in ihren Räumen das Gespräch mit den unterschiedlichen Bewerbern um die politischen Mandate zu ermöglichen und zu suchen und so an einer entsprechenden Meinungsbildung mitzuwirken.

Eine geringe Wahlbeteiligung wäre nach Ansicht des Dessauer Kirchenpräsidenten Liebig nicht nur für Sachsen-Anhalt von Nachteil, sondern auch ein verheerendes Signal für die weiteren 2011 in Deutschland anstehenden Landtagswahlen. Um der Politik zu mehr Glaubwürdigkeit zu verhelfen, sollten sich die Kandidaten und generell die politisch Verantwortlichen auf Versprechungen beschränken, die sie erfüllen können. Zugleich müssten sich die Wähler auf realistische Erwartungen und Forderungen besinnen. "Überbordende Erwartungen gegenüber Staat und Parteien" gehörten mit zu den Ursachen für die Politikverdrossenheit, betonte Liebig vor den Journalisten.

In ihrem gemeinsamen Wort danken die leitenden Geistlichen allen im Land, die politische Verantwortung übernommen haben und sich erneut um ein politisches Mandat bewerben. Zugleich mahnen sie Ehrlichkeit und Transparenz an und warnen vor medialer Effekthascherei. "Politikerinnen und Politiker sollten gerade im Wahlkampf schwierige Sachverhalte nicht auf hohle Schlagworte verkürzen", so Bischof Gerhard Feige vor den Journalisten. Stattdessen müssten sie den Bürgern sowohl die Komplexität der gesellschaftlichen Wirklichkeit als auch ihre Vorhaben und Ziele "verlässlich erläutern". Gefragt seien nicht kurzfristige Wahlerfolge, sondern nachhaltige Problemlösungen, so Bischof Feige.

Nachhaltige Lösungen statt kurzfristiger Wahlerfolge

In dem gemeinsamen Wort wird an den Ruf "Wir sind das Volk - Wir sind ein Volk" während der Friedlichen Revolution erinnert. Die damit verbundene Freiheit sei jedoch nicht nur ein Geschenk, sondern fordere auch eigene Verantwortung für das Gemeinwesen. Die Landtagswahlen seien eine "wichtige Gelegenheit, sich entsprechend einzubringen".

Sachsen-Anhalt wird seit 2006 von einer CDU/SPD-Regierung geführt. Die Wahlbeteiligung bei der Landtagswahl vor fünf Jahren betrug 44,4 Prozent, im Jahr 1998 waren es 56,5 Prozent. Zu den Wahlen am 20. März treten 16 Parteien und politische Gruppierungen an.

Text des gemeinsamen Wortes zur Landtagswahl sowie Statement von Bischof Gerhard Feige im Internet: www.bistum-magdeburg.de

Von Eckhard Pohl


Einladung


Spielplatz Demokratie?

"Spielplatz Demokratie? Demokratische Spielregeln oder warum das Spiel erst mit vielen Mannschaften spannend wird" ist eine Podiumsdiskussion am 8. Februar im Magdeburger Roncalli-Haus überschrieben. Teilnehmer sind Birke Bull, MdL, stellvertretende Vorsitzende der Partei Die LINKE Sachsen-Anhalt, Professorin Claudia Dalbert, Vorsitzende des Landesverbandes Bündnis 90/Die Grünen, Rüdiger Erben, Vorsitzender des SPD-Kreisverbandes Burgenlandkreis. Dr. Lydia Hüskens, MdL, Mitglied des Landesvorstandes der FDP, und Dieter Steinecke, MdL, CDU. Bei dem Abend im Rahmen der Reihe "Demokratie - Spielwiese und Streitfall ,W(M)ahlzeit" gehe es nicht darum, Wahlprogramme vorzustellen und um die Wählergunst zu werben, heißt es in der Einladung. Vielmehr gehe es um den Wert der demokratischen Gesellschaftsordnung besonders auch in Wahlkampfzeiten. Dazu soll es kulinarische Demokratiegeschmacksproben geben. Beginn ist 19.30 Uhr.

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps