Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!

Alle Wege beginnen in Breslau

Der Benediktiner und Bestsellerautor Adalbert Seipolt wäre im August 80 Jahre alt geworden

In den Bücherregalen ältererer Tag des Herrn-Leser fehlen sie selten - die humorvollen und zugleich spannenden Erzählungen des Mettener Benediktinerpaters Adalbert Seipolt. Im August wäre der schlesische Autor 80 Jahre alt geworden.

Er starb Ende Januar im bayrischen Benediktinerkloster Metten: Pater Adalbert Seipolt, der durch seine humorvollen Erzählungen auch bei vielen Katholiken in den neuen Bundesländern bekannt war.

Adalbert Seipolts erstes, 1958 erschienenes Buch wurde gleich ein Beststeller: "Alle Wege führen nach Rom - Die heitere Geschichte einer Pilgerfahrt". Schon nach kurzer Zeit waren 100 000 Exemplare verkauft. In der episodenreichen Geschichte um eine bunt zusammengewürfelte Pilgergruppe ist die katholische Welt noch "in Ordnung": Im Pilgerzug beten nicht nur die Senioren Rosenkranz, das frisch verliebte Paar schmiedet sogleich Heiratspläne und ehemalige Waisenkinder eines katholischen Heims sind ihrer Erzieherin in ewiger Dankbarkeit ergeben anstatt Entschädigungsleistungen einzufordern ...


Schon in seinem Erstling stellte der Benediktiner eine sprühende und - wenn beispielsweise der bayrischen Ordensschwester in einem römischen Armenviertel gebratene Katze vorgesetzt wird - zuweilen auch skurile Fantasie unter Beweis. Seine gute Beobachtungsgabe ist spürbar, wenn er etwa die Sticheleien zwischen einem konservativen und einem progressiven Priester oder das Zusammentreffen von Menschen mit Bildungs- oder Standesunterschieden schildert. Die heitere Grundstimmung durchzieht auch die späteren Bücher des Paters, der jahrzehntelang als Lehrer am Klostergymnasium arbeitete. Mehr als zwanzig seiner Werke hat der Würzburger Echter-Verlag herausgegeben, etliche durften auch in der DDR als Lizenzausgaben im St.-Benno-Verlag erscheinen. Trotz aller Schwierigkeiten, die seine Protagonisten zu bewältigen haben, trotz menschlicher Schwächen und Konfl ikte: Seipolts Erzählungen vermitteln dem Leser das Gefühl, geborgen und mit hineingenommen zu sein in eine Gemeinschaft mit Menschen, die gleiche Grundüberzeugungen teilen.


Auf einer Insel im Meer des Nationalsozialismus

Dass Adalbert Seipolt solche Geborgenheit in der Kindheit und Jugend selbst erlebt hat und dass ihn dies durch manche Widrigkeiten seines späteren Lebens hindurchgetragen hat, gibt er in seinem zuletzt veröffentlichten und am stärksten autobiografi schen Buch preis. Unter dem Titel "Jahre im Gegenwind" teilte er im Jahr 2003 seine Erinnerungen an die Kindheit in Breslau und an die Zeit während und nach der Flucht nach Sachsen mit. Er habe im braunen Meer des Nationalsozialismus "wie auf einer Insel" gelebt, sagt der 1929 Geborene im Rückblick.

Er hatte das Glück, nicht nur in der eigenen Familie und in der Ministrantengruppe ungestraft gegen den Nationalsozialismus sprechen zu können, sondern auch in der Schulklasse des evangelischen Gymnasiums, das er besuchte. Besonders anschaulich wird Seipolts damalige Erfahrungswelt, wenn er eine unvergessliche Schulstunde mit Zeichenlehrer Siegfried, einem der wenigen überzeugten Nazilehrer seiner Schule, vor Augen führt. Die Bemühungen des Lehrers, das Christentum als hinterwäldlerisch zu entlarven, schlug in dieser Unterrichtsstunde gründlich fehl und wandten sich am Ende gegen ihn selbst. Seine 13-, 14-jährigen Schüler deckten jede seiner Bildungslücken erbarmungslos auf und bekamen am Ende noch Rückendeckung vom Direktor.


Gottvertrauen und eine große Portion Humor

Dass er später Flucht und Vertreibung, Hunger und Elend vergleichsweise unbeschadet überstand, führt Adalbert Seipolt auf die "gütige Führung Gottes" und die "Tüchtigkeit meiner tapferen Mutter" zurück, nicht zuletzt aber auch auf die "Gnade der späten Geburt". Als Fünfzehnjähriger habe er die volle Tragik des Kriegsgeschehens noch gar nicht erfassen können: "Oft übertrifft die Neugier den Schrecken, manches strahlt einen abenteuerlichen Reiz aus, oder man ertappt sich beim Lachen, wo Weinen angebrächt wäre."

Am 29. Januar ist Adalbert Seipolt in dem bayrischen Kloster gestorben, in das er nach dem Abitur 1948 eingetreten war. Nicht nur für seine Leser war die feinfühlige und tiefe Menschen- und Gottesliebe des Paters spürbar. Dass sie auch seinen alltäglichen Umgang mit jedem, der ihm begegnete, prägte, geht aus dem Nachruf hervor, den der Mettener Abt für ihn schrieb:

"Pater Adalbert hat ganz und gar verwirklicht, was der heilige Benedikt in seiner Regel fordert, nämlich die Fremden, die Armen, die Gäste, überhaupt jeden wie Christus aufzunehmen. Er besaß die Weite des Herzens, heitere Gelassenheit und eine immens große Portion Humor, gepaart mit unerschütterlichem Gottvertrauen. Das machte ihn so liebenswürdig und so ließ er die Liebe Gottes durchscheinen durch sein Leben und durch seinen Umgang mit Menschen."

Von Dorothee Wanzek