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"Wir lassen niemanden fallen"

Kreuzbund-Gruppen helfen Suchtkranken und ihren Angehörigen

Magdeburg. Von Zeit zu Zeit ist vom "Koma-Saufen" junger Leute die Rede. Doch der Alkoholismus ist in allen Lebensaltern und Schichten verbreitet. Seit 2007 gibt es im Bistum mit dem Kreuzbund Diözesanverband eine Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft für Suchtkranke und Angehörige. Eine der Gruppen trifft sich in Magdeburg.

Jan Kiehl, Referent für Sucht- und Suchtselbsthilfe beim Diözesan-Caritasverband, im Gespräch mit Rudolf Richter und Thomas Wölk von der Kreuzbund-Gruppe in Magdeburg.

"Irgendwann habe ich mir gesagt: So geht es nicht weiter", erzählt Thomas Wölk. "Ich hatte im Milieu erlebt, wie Menschen an den Folgen von Alkoholsucht gestorben sind und habe mich gefragt, wie lange ich noch zu leben habe …" Der heute 46-Jährige war in den 1980er Jahren kulturpolitischer Mitarbeiter in Jugendclubs, wie er sagt. "Hier bin ich ständig mit Alkohol in Kontakt gewesen. Die Abhängigkeit hat sich schleichend aufgebaut", so Wölk, der BMSRTechniker gelernt hatte und auch als LKW-Fahrer arbeitete. Nach der Wende habe er seinen festen Arbeitsplatz verloren und sich mit befristeten Anstellungen durchgeschlagen. Zugleich sei es zu familiären Problemen gekommen, die "auch mit Alkohol zu tun hatten". Irgendwann begann Wölk, mit dem Trinken aufzuhören. "Ich habe mir eine neue Wohnung und eine neue Arbeit gesucht. Nur mit einer neuen Partnerschaft hat es noch nicht geklappt". 2008 kam Wölk zur Magdeburger Kreuzbund- Gruppe dazu.

Ziel ist es, Suchtkranke aus der Isolation zu holen

"Suchtkranke haben oft eine Menge Probleme, die nicht so einfach zu lösen sind", sagt Rudolf Richter, der die Magdeburger Gruppe der Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft für Suchtkranke und Angehörige leitet. "Sie reichen von der Sucht selbst über Probleme in Partnerschaft und Beruf bis zur Verschuldung." Häufigste Suchtform sei der Alkoholismus. Genauso gebe es aber auch die Medikamentenabhängigkeit oder etwa die Spielsucht.

Richter, der über viele Jahre hinweg bis 1994 Gastwirt war, weiß, wovon er spricht. "Ich kenne seit vielen Jahren Menschen, die wegen und durch ihre Alkoholsucht nichts mehr im Leben auf die Reihe bekommen haben oder gar daran gestorben sind", sagt Richter. Seit Ende der 1990er Jahre ist der heute 64-Jährige ehrenamtlicher Betreuer für alkoholkranke Menschen.

Die Kreuzbund-Gruppe in Magdeburg hat 20 Mitglieder. Viele von ihnen seien arbeitslos, drei Viertel alleinstehend, sagt Richter. Die Arbeitslosigkeit hält er für einen ausgesprochen wichtigen Grund für die Alkoholsucht. Oft seien auch Partnerschaftsprobleme im Spiel. Da komme es schnell zu einem "Teufelskreis". "Hier will der Kreuzbund helfen", sagt Richter. "Wir versuchen, die Betroffenen aus der Isolation zu holen und sie zu ermutigen, über ihre Situation offen zu reden."

Dass dies zunächst einige Überwindung kostet, bestätigt Thomas Wölk. "Es ist sehr wichtig, zu merken, dass man nicht alleine steht. Das hilft", sagt der 46-Jährige. "In der Kreuzbundgruppe hören einem Menschen in gleicher Situation vorbehaltlos zu", sagt Wölk, der künftig von Richter die Leitung der Magdeburger Kreuzbund- Gruppe übernehmen soll.

"Wir lassen niemanden fallen", betont Rudolf Richter. Schwierig werde es nur dann, wenn die Suchtphasen immer kürzer werden und der Betroffene sich absolut nicht helfen lassen wolle.

"Wir helfen bei Behördenangelegenheiten, bei der Arbeits- und Wohnungssuche. Wir laden Referenten wie zum Beispiel Schuldenberater in unsere Gruppe ein", erzählt Richter. Zudem veranstalte die Gruppe Kegelabende, gemeinsames Grillen, auch mal eine gemeinsame Busfahrt.

Kreuzbund-Gruppen gibt es im Bistum auch in Stendal und Thale/ Quedlinburg. Darüber hinaus bestehen in Zusammenarbeit mit dem Caritasverband so genannte freie Selbsthilfegruppen in Wittenberg, Cochstedt, Osterburg und Siems/Gardelegen (Kontakt: www.caritas-magdeburg. de/52696.html). Einmal im Jahr, meistens im März, treffen sich die Mitglieder aller Kreuzbund-Gruppen in Magdeburg zu einer Mitgliederversammlung. Referent sei zum Beispiel auch schon der geistliche Beirat der Gruppe, Ordinariatsrat Ulrich Lieb gewesen.

"Vom Diözesan-Caritasverband bieten wir Hilfe zur Gründung von Sucht-Selbsthilfegruppen an", sagt der Referent für Sucht- und Suchtselbsthilfe beim Diözesan- Caritasverband, Jan Kiehl. Dazu gehöre etwa die Bereitstellung von Räumen. Leichter sei dies dort, wo auch Caritas-Suchteinrichtungen wie die Suchtberatungsstelle in Stendal bestünden.

Gruppen sind echte Hilfe für Betroffene

"Wir wünschen uns, dass Menschen mit Suchtproblemen zum Beispiel bei Ärzten häufiger auf die Selbsthilfegruppen aufmerksam gemacht werden", fährt Caritas- Referent Kiehl fort. Untersuchungen hätten gezeigt, dass die Gruppen für die Betroffenen eine echte Hilfe bei der Therapie sind.

Leider würden angehende Mediziner viel zu wenig mit den Problemen der Sucht vertraut gemacht. Kiehl hält es für "undenkbar", dass im Zuge knapper Finanzen Landesmittel für Suchtberatungsstellen gekürzt werden, zumal die Berater auch in der Prävention zum Beispiel in Schulen unterwegs seien.

Hilfen: Caritasverband für das Bistum Magdeburg, Referat Suchtnachsorge, Tel. (03 91) 6 05 32 09 oder E-Mail: Die hier einst verlinkte Webseite ist leider nicht mehr online (Stand: 07/2017)

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